Mars

by Fritz Zorn | Biographies & Memoirs | This book has not been rated.
ISBN: 3596222028 Global Overview for this book
Registered by Martinkus of Gießen, Hessen Germany on 12/20/2021
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Journal Entry 1 by Martinkus from Gießen, Hessen Germany on Monday, December 20, 2021
Fischer - TB aus dem Jahr 1980; 225 Seiten; gut erhalten

Fund:

(......) "„Mars“ ist das Resumee eines zu kurzen Lebens. Der verzweifelte Versuch, dem viel zu frühen Tod infolge Lymphdrüsenkrebs eine hellsichtige Selbstanalyse als Sterbender voranzustellen. Dieses Gehört-Werden und Hintreten vor die gehasste Schweiz im Speziellen und die westliche Überflussgesellschaft im Allgemeinen war ihm ganz wichtig. Zeugnis ablegen und alle Scham und alle Rücksichten hintanstellen. Schaut her und lest. Ich bin geworden, was ich unter diesen Umständen werden musste und daran krepiert. Mein Fall ist exemplarisch. Das Monströse an ihm hat erschreckende Normalität. Täuscht euch nicht. Der Unterschied zwischen euch Überlebenden und mir, dem Opfer dieser Verhältnisse, ist nur ein unbedeutender.
„So wie ich die Normalität aber verstand, bestand sie daraus, dass man nicht die Wahrheit sagen, sondern höflich sein soll. Ich war mein ganzes Leben lang lieb und brav, und deshalb habe ich auch Krebs bekommen. Das ist auch ganz richtig so. Ich finde, jedermann, der sein ganzes Leben lang lieb und brav gewesen ist, verdient nichts anderes, als dass er Krebs bekommt. Es ist nur die gerechte Strafe dafür“.

Einer solchen Selbsterkenntnis und Rechenschaft im Angesicht des Todes im Alter von 32 Jahren lässt sich wenig entgegenhalten. Sie verdient in erster Linie Respekt und sollte uns jeden vorschnellen Widerspruch zurückhalten lassen. Der Leser ist andererseits nicht in einer intimen Zweiersituation mit einem sein Sterben deutenden Todgeweihten. In einer solchen wäre jeder entschiedene Widerspruch eine schwere Verletzung der kommunikativen
Situation. Der dies Bekennende will nicht über Statistik und Wissenschaft streiten, sondern einen engen Freund an seiner Wahrheit teilnehmen lassen, ihn einweihen in ein sehr schmerzlich und langwierig erworbenes eigenes Wissen.

Diese intime Zweiersituation besteht aber nicht. Der Autor Zorn hat die Öffentlichkeit gesucht und sie gefunden. Sechsstellige Auflagen und Übersetzungen in zahlreiche Sprachen haben ein Thema gesetzt und sich in einem schon vorgedachten und diskutierten thematischen Feld bewegt. Selbst unter Berücksichtigung der Entstehungszeit dieser psychosomatischen Krebsdeutung darf man sich wundern über die Radikalität und Unbeirrbarkeit Muschgs, der sich als verdienter Herausgeber dieser Schrift jeden Zweifel und jede Relativierung verbietet und pietätvoll eine in großer Not entstandene autobiographische Literatur eins zu eins in eine politisch-soziologische Analyse überführt. Er schreibt in der vorangestellten „Geschichte eines Manuskripts“: „ Der hier streben musste ( d.Autor Fritz Zorn) , ist nicht das Opfer eines Schicksals, er ist an uns gestorben; an dem, was uns von einer Gelegenheit zur anderen, zum ganzen Menschen fehlte. Er ist daran gestorben, dass er sein Leben nicht teilen, nicht mitteilen lernte, bis es zu spät war. Was ihm also gefehlt hat, war derjenige und diejenige, die ihm Teilung und Mitteilung rechtzeitig abverlangt hätten. In einer unheilbaren Gesellschaft ist sein Tod keine Ausnahme, sondern der Normalfall. Wir werden weiter so sterben, solange wir weiter so leben. Das ist das wirklich Erschütternde an diesem Buch“.
Starke Worte des Herausgebers, die in dieser Verallgemeinerung und Solidarisierung mit einem vermeintlichen Opfer der Gesellschaft alles in Rechnung stellen und auf der individuellen Seite einen Horizont von Bedürfnissen und Ansprüchen entwerfen, der schwerlich bis ins Erwachsenenalter fortgeschrieben werden kann, es sei den man greift auf die Diagnose der seelischen Traumatisierung durch lieblose Verwöhnung im Kindesalter zurück, die irreparable Schäden fürs Leben setzt.
Die leichtfertige und verabsolutierende Kommentierung durch Muschg nimmt dem Protokoll Zorns aber nichts von seiner schauerlichen Größe und beklemmende Aggressivität. Trotz mancher Kurzschlüsse und Widersprüche entsteht ein insgesamt stimmiges Bild einer nicht einmal dekadenten, sondern nur erstorbenen, hohlen und in Formen und Ritualen erstarrten Elite, die fast nichts menschliches mehr zu haben scheint. Zorns Eltern und die Bewohner der „Züricher Goldküste“ muten einen an wie chinesische Mandarine oder pharaonische Staatsbeamte, die ins 20.Jahrhundert transponiert sind.
Natürlich wirft diese behauptete Erziehung und Milieuprägung zum emotionalen Zombie eine Menge Fragen auf. Warum gab es nie Ausbruchsversuche oder offensichtliche Verschiebungen, wenn die Frustration doch so unendlich groß war? Und wären sie noch so kläglich oder abseitig gewesen. Warum gab es nie die große Krise, den Zusammenbruch? Warum konnte trotz schwerster Selbstlähmung und seelischer Verarmung ein bis auf die Sexualität „normales“ und beruflich recht erfolgreiches Leben aufrecht erhalten werden? Alles nur Fassade? Selbsttäuschung? Was überhaupt ist mit seiner Sexualität, für deren Rechte und gegen deren bürgerliche Tabuisierung er so engagiert eintritt ? Darüber erfahren wir nur wenig? War er nur kontaktgehemmt? Was war der Grund, dass er sich weder sexuell noch auch bloß emotional zu Männer oder Frauen hingezogen fühlte? Wenn ihm an Gesellschaft – etwa im romanistischen Institut - doch gelegen war und er dabei keine klägliche, sondern eine beachtete und geschätzte Rolle spielte, gab es da nie emotional warme Kontakte zu Mitstudenten ? Es mag ja sein, dass er nie mit einer Frau, erst recht keinem Mann geschlafen hat. Ist es nie zu einem körperlichen Kontakt gekommen, auch wenn er aus welchen Gründen auch immer, nicht zum Geschlechtsverkehr führte ? War er sexuell nicht stimulierbar und nicht empfindungsfähig? Hat er masturbiert ? Was waren seine sexuellen Phantasien?

Die Einordnung dieser zweifellos in großer Not und großer Anstrengung geschriebenen Lebensbeichte bleibt schwierig. Es ist nicht allein die Selbstanklage, dass hier ein nicht gelungenes, sich selbst im Wege stehendes Leben zur Selbstvernichtung kommt. Das ist eine subjektive Erkenntnis, die von der objektiven Unbeweisbarkeit einer solchen These nicht gemindert wird. Es tauchen aber eben auch Fragen der Authentizität und rückhaltlosen Ehrlichkeit auf. Das Ringen um einen irgendwie gearteten Sinn, um eine Würde und Größe im Untergang ist das letzte, was im bleibt. Das kann man durchaus heroisch nennen. Als nicht mehr zu beantwortende Frage bleibt aber offen, ob nicht auch in dieser verzweifelten Endabrechnung, in der er alle Karten auf den Tisch zu legen scheint, seine Angepasstheit und sein tief verwurzeltes Bedürfnis, sich umgebungsbezogen und hier nun kontra-adaptiv zu verhalten, das Programmatisch-Stimmige die Oberhand über eine letzte Ehrlichkeit gewonnen haben." (........)

Journal Entry 2 by Martinkus at Stephanstrasse in Gießen, Hessen Germany on Monday, December 27, 2021

Released 2 yrs ago (12/27/2021 UTC) at Stephanstrasse in Gießen, Hessen Germany

WILD RELEASE NOTES:

auf den Stromkasten an der Ecke Stephanstr. - Bruchstr.

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