Nicht wie ihr
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Beispielsweise sinniert er minutiös über die Geschenke, die er von seiner Frau bekommt, aber man erfährt nie, ob er auch etwas verschenkt.
Der Autor hält Ivos Perspektive allerdings konsequent und absolut überzeugend durch. Man ist das ganze Buch über in Ivos Gedankenwelt. Und das ist nicht immer eine schöne Welt. Auf der einen Seite seziert Ivo messerscharf, auf der anderen Seite ist er ein armer Hund. Denn als Fußballer ist er mit 27 schon eher in der Midlife-Crisis, nach England kann nur noch China kommen. Seine Gedanken zu vielen Themen, sei es sein Migrationshintergrund, Medienschulungen oder Bundesliga sind scharfsinnig, gerade weil sie so unzensiert daherkommen.
Das Buch ist durchaus witzig, aber oft auch traurig. Ich zumindest würde kein Fußballstar sein wollen, mich hat diese Welt und diese gedankliche Armut nachhaltig verstört. Vermutlich ist es realistisch, wobei ich gern wissen wollen würde, woher sich Schachinger so gut auskennt.
Die Sprache fand ich sehr gelungen, weil sie so authentisch durchgezogen wird.
Ich kann folgenden Satz aus der Rezi von www.fr.de/kultur nur ebenfalls unterstreichen:
„Einen Fehlgriff wie auf der Buchrückseite, auf der wirklich steht, das Buch sei „rotzig, deep & fresh“, würde er sich nie leisten, gerade weil er Sinn für Ironie und ihre Grenzen hat.“
Unterweg im Buchpreis-Abo 2019:
1. Lilo37fee
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3. heixly
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5. natur-m
6. chawoso
7. Charly83
8. bassongirl
9. Mimi4711
10. bluezwuzl
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9. November 2019
Manche Geschichten sind nicht des Erzählens wert. Und meiner Meinung nach gehört diese dazu. Ein Jahr den (fiktiven) erfolgreichen und berühmten Fussballer Ivo zu begleiten und seine Gedanken zu teilen - dass hätte ich mir deutlich interessanter vorgestellt. Doch was hier über rund 300 Seiten ausgebreitet wird, hat einen Informations- und Unterhaltungswert, für den auch 100 Seiten ausgereicht hätten.
Ivo ist ein Egomane in Reinform und dazu von schlichtem Gemüt. Worte sind nicht so seins und am liebsten würde er allen aufs Maul oder sonstwohin schlagen, denn verdient hätten sie es allemal. Er ist ein richtiger Proll, der jedoch glaubt, der Einzige mit Ahnung zu sein von was auch immer und betrachtet praktisch alle als ihm völlig unterlegen. Doch wehe, man erkennt dies nicht an, dann ist Ivo kurz vorm Ausrasten und mit seiner mühsam antrainierten Gelassenheit ist es schnell vorbei. Denn tief in seinem Innern steckt er noch immer voller Minderwertigkeitskomplexe, die auf keinen Fall ans Tageslicht kommen dürfen.
Es ist wirklich grandios, wie überzeugend der Autor Tonio Schachinger diesen Tonfall darstellt und die kompletten 300 Seiten durchhält. Für mich wurde Ivo immer mehr zu einer realen, wenn auch unsympathischen Person. Doch es hat mir trotzdem nicht geholfen, denn auch der beste Stil macht eine lahme Geschichte nicht zu einer fesselnden Lektüre. Und lahm ist diese Geschichte. Es passiert nahezu nichts, ausser dass Ivo Fussball spielt, mit seiner Frau schläft und sie betrügt und mit ihr bei Familienfesten und Sponsorenveranstaltungen erscheint. Seine Gedanken kreisen überwiegend um sich selbst und seine Großartigkeit und die Unzulänglichkeiten der Anderen - womit praktisch der Rest der Welt gemeint ist. Ab und zu geraten ihm gerade durch die Schlichtheit seines Wesens witzige Gedanken: "Also liest Ivo seiner Tochter die Geschichte von Narziss vor, einem schwulen Typen, der auf sich selber steht und eigentlich niemandem etwas Böses tut, außer irgendeine Frau nicht zu erhören, die auf ihn steht. Und weil die nicht mit der Ablehnung klarkommt, verflucht sie ihn. Was soll DAS seiner Tochter sagen? Dass man sich nicht zu oft in den Spiegel schauen soll, OK, aber das war ja nicht der Fehler. Der Fehler von Narziss war einfach, Pech zu haben und an eine böse Frau zu geraten, die, wenn man ehrlich ist, ihn sowieso verflucht hätte, wenn nicht deswegen, weil er sie nicht angeschaut hat, dann später, wenn sie draufgekommen wäre, dass er schwul ist, oder sie sich nach ein paar Jahren Ehe langweilt. Also, was hätte er machen sollen?" Aber für die fast 300 Seiten sind es einfach zu wenige solcher Lichtblicke.
Nach ca. 150 Seiten habe ich mich dabei erwischt, dass ich immer oberflächlicher gelesen habe, weil ich nur noch fertig werden wollte. Schade drum, denn der Tonfall ist ausserordentlich gut getroffen.
Released 4 yrs ago (11/10/2019 UTC) at Mail, Bookring -- Controlled Releases
CONTROLLED RELEASE NOTES:
18.02.2020: Das Buch ist leicht zu lesen, hin und wieder ein origineller Gedanke, aber sonst hat es mich inhaltlich nicht zufrieden gestellt und eher traurig gestimmt. Irgendwie ein armes Leben, das der reiche Ivo da führt. "Ivo ist kein Fan von Entwicklung ... Sein Blick geht ins Leere, ins Nichts, ins Narrenkastl und dort ziehen Gedanken durch wie im Zeitraffer auf einer Wetterkarte, mit schnellen Hochs und Tiefs, oder laufen wie ein Uhrwerk im Kreis." Nun ja, mich erschreckt die Leere und ich mag Entwicklung. Ivo hingegen denkt eher so nach: " ... und Ivo wundert sich aufs Neue darüber, wie man, egal wie reich man ist, immer noch um so viel reichere Menschen kennenlernt, dass man sich im Vergleich arm fühlt." Nun ja ... "meins" war es nicht.
Es wird gerade gelesen [5.3.2020] und schon stolper ich über Sätze, die mich irritieren ... unabhängig vom gesamten Schreibstil, der fast schon an Kanaksprak erinnert [auch wenn das arg übertrieben ist und sich mit der Zeit relativiert ...].
♠ S. 31: "Nirgendwo ist Wiener sein schöner als ihn Wien."
♠ S. 57: Den folgenden Satz finde ich gut, weil ich das auch gedacht habe, als ich die Diskussion über Rassismus gehört habe. "Ein kolumbianischer Taxler fragt ihn ja nicht: "Entschuldigen Sie, dürfte ich vielleicht fragen ..., weil Sie ja so ... exotisch aussehen, woher Sie ursprünglich ... Ihren Migrationshintergrund haben?" Der schaut ihn an und fragt "Von wo kommst du?" Und Ivo antwortet: "Aus Bosnien. Und Du?" - "Aus Kolumbien. " - "Ah, cool. "
♠ S. 58: "Wenn der Taxler fragt ... dann zweifelt er damit nicht an, dass Ivo ein Österreicher ist, sondern will nur wissen, was das andere ist. Österreich plus X."
♠ Noch ein sprachliches Ausrufezeichen: S. 121: "Jérôme Boateng hat es keiner vorgeworfen und Vincent Kompagny auch nicht."
♠ Sorry, sorry:-( mein Kaffeepot hat getropft. Ein Fleck auf S. 125 ist leider eingezogen ... das Papier ist zu faserhaltig.
♠ Kluge Worte zu FB und YouTube auf S. 171: "Es ist wie mit Diego Costa, dem schadet auch kein wütender Kommentar auf seiner FB-Seite und kein Daumen runter auf YouTube, weil er einfach Entertainment ist, und Entertainment wird nicht an den Gefühlen gemessen, die es auslöst, sondern nur an der Menge der Reaktionen. Ein Klick hat keine Meinung, er ist immer nur ein Klick ... und kriegt dafür fünf Millionen Euro und die 500.000 Daumen runter unter dem Video von der Kampagne kosten ihn keinen Cent, ..." Das ist doch ein guter Appell, sich mit dem Liken zurück zu halten.
♠ Noch ein Gedanke von Ivo [irgendwo nach S. 200], der mich gerade in der aktuellen Corona-Zeit 'erwischt'. Er spielt gerne vor Publikum. Und gerade werden alle Fußballspiele, sofern sie noch stattfinden, vor leeren Tribünen gespielt. Da ist dann eine Absage aller Spiele sicherlich auch besser.
Mein Kommentar
Nachdem ich bereits das Abo-Nachfolgebuch angefangen habe, muss ich feststellen, dass mir dieses Buch doch ganz gut gefallen hat. Es offenbart eine Welt, in der ich auch nicht leben möchte, erinnert mich aber ganz stark an Berliner Verhältnisse vieler junger Männer - vorwiegend mit Migrationshintergrund - die mit protzigen Autos durch die Straße brettern. Ich bin mir sicher, dass diese Gruppe nicht die Gedanken formulieren könnten, die wir hier im Buch lesen dürfen.
Ivo ist trotz aller Reflexion ein typischer Macho. Seine Empathie endet an seinem Rückeroberungsversuch, seine Frau wieder 'ins Bett' zu bekommen. So was von halbherzig ... Was ihm an seiner Familie liegt, erfährt er erst im Angesicht des Todes. Hier zeigt Ivo richtig Gefühle!
Zu 'rotzig, deep & fresh', kann ich nur soviel sagen, dass es ganz gut zu dem Buch passt.
• Was heißt den 'rotzig'? Frech, ungehörig ... ja, ist unter normalen Bedingungen teilweise schon die Haltung von Ivo: Ich würde arrogant dazu sagen.
• Und 'deep'? Klar, viele seiner Gedanken sind auch sehr gut reflektiert. Bei seinen sexuellen Einwürfen denke ich da eher an einen Film aus den 1980er 'Deep ...', in dem genau Ivos Vorlieben gezeigt werden.
• Und 'fresh'? Frisch, neu, kräftig ... Klar, in der Literatur - und hier im Buchpreissegment - ist das schon ein 'fresher' Coup.
Das ist ein Buch, das ich mit Sicherheit nie gelesen hätte, wäre es nicht auf der Shortlist des deutschen Buchpreises gelandet. Was sagt die Jury dazu?
"Das einzige, das Ivo immer gut konnte, war Fußballspielen und nun spielt er, der in Wien immer nur einer der vielen "Jugos" war, in Everton, verdient 100.000 Euro die Woche, ist mit einer schönen Frau verheiratet, hat zwei entzückende Kinder und teilt mit uns seine Sicht auf die Welt: liebenswert und überheblich, naiv und berechnend, charmant und bitterböse. Doch "Nicht wie ihr" ist viel mehr als ein Roman über die Welt des Spitzensports: Zugehörigkeit, Migration, die ständige Angst vor dem Abstieg, Männlichkeitsideale und nicht zuletzt Liebe werden hier zwischen Fußballrasen, Umkleidekabinen, Luxushäusern und teuren Autos völlig unverkrampft verhandelt. Begeisternd ist zudem die Boxkraft des Tons und die Stilsicherheit des Autors, sein Gespür für Milieus, Jargons, Stimmungen, Tragikomik." Da passt der Satz «Rotzig, deep & fresh!» auch wieder hin - ist halt nur literarischer formuliert ;-)
Released 4 yrs ago (3/17/2020 UTC) at ABO-Runde - Nächste:r Teilnehmer:in in -- Per Post geschickt/ Persönlich weitergegeben --, Berlin Germany
WILD RELEASE NOTES:
In Anbetracht der Coronavirus-Pandemie haben wir auf ein kleines MeetUp verzichtet. Es ist daher per Schneckenpost über einen Briefkasten zur Packstation unterwegs. [Die Leerung des Briefkastens an der Post Breitenbachplatz erfolgte am 19.3.2020 um 16.00 Uhr.] Viel Vergnügen mit diesem "Männerbuch" für efells Lesechallenge. Bei mir passt es leider in keine der freien Kategorien mehr.
Das Buch kommt bald an die Reihe.
Ich bin gespannt.
27.3.
Die Spannung hat sich aufgelöst. Dieses Buch werde ich nicht lesen.
Es ist mir zu schiach, wie Ivo wahrscheinlich sagen würde.
Nun darf das Buch gleich weiter wandern.
Released 3 yrs ago (3/31/2020 UTC) at -- Per Post geschickt/ Persönlich weitergegeben --, Brandenburg Germany
CONTROLLED RELEASE NOTES:
Vielen Dank und viel Freude beim Lesen!
Aktuell ist noch das Fremde Welten-Abo an der Reihe, aber über Ostern sollte es ruhiger werden ...
Vielen Dank fürs Schicken und schon mal ein paar sonnige Ostergrüße in die Runde.
Ich bin zwiegespalten.
Die Sprache, die "anderen aufs Maul schaut", ist gekonnt durchgehalten. Mir persönlich war es teilweise doch zu deftig. Darin gingen dann die immer wieder eingestreuten "Feststellungen" , die Highlights in einer sonst eher trögen Erzählung, fast unter. Damit meine ich u.a., was Lillianne so treffend aus dem Buch zitiert hat. Ansonsten eher Belanglosigkeiten, Selbstbeweihräucherung, Selbstmitleid ...
Nein, Ivo ist kein Sympathieträger und ob ich ihn letztendlich in diesem Jahr begleiten wollte, eher nein .
Viel Freude beim Lesen und wieder Freilassen.
Lass wieder von Dir hören, liebes Buch!
Das Buch reist nun zu seinem nächsten Leser weiter.
Edit 15.7. Dieses Buch habe ich nun doch überraschenderweise in einem Rutsch durchgelesen. Ich kann mich den vorherigen Meinungen anschließen: Ivo ist höchst unsympathisch, mit dem Wiener Dialekt und Ivos Alltagssprache konnte ich mich erst spät bzw. gar nicht anfreunden, weil es einfach nicht meine Welt ist. Dennoch zieht der Autor seine Linie durch und hat mich damit an das Buch gefesselt. Interessant ist auch der Einblick in die Fußballwelt. Das hätte ich mir aber noch etwas tiefgründiger gewünscht. Eher geht es ja um Ivos Gefühlswelt. Aber auch hier ein interessanter Einblick in einen Nicht-Musterschüler.
Fazit: Kann man sowohl als Fußballfan als auch als Literaturbegeisteter gelesen haben, muss man aber nicht.
Ich greife Lillianes Idee auf. Gelesen für efells Lesechallenge 2020 Punkt 32. Männerbuch.
Released 3 yrs ago (7/20/2020 UTC) at -- Per Post geschickt/ Persönlich weitergegeben --, Sachsen Germany
CONTROLLED RELEASE NOTES:
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Ich bin fast durch. Danke für die Geduld bis jetzt....
Ich frage die nächste Adresse an (und bitte entschuldigt meine Langsamkeit...).
Mal sehen.
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Vieles, was mir beim Lesen des Buchs durch den Kopf gegangen ist, wurde schon erwähnt.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob man unbedingt überbezahlter (denn das ist er wohl, das lese ich jedenfalls aus seinen Aussagen und denen seines Spielerberaters heraus) Fußballspieler sein muß, um Ivos Gedankenwelt zu teilen...
Die Sprache fand ich jetzt nicht soo besonders oder ungewöhnlich, daß man das Buch deswegen unbedingt gelesen haben oder auf die Buchpreisliste setzen muß.
Was "rotzig, deep & fresh" betrifft - diese Aussage fand ich eher befremdlich - eine Aneinanderreihung im Grunde nichtssagender Schlagworte, mit denen ich weder Inhalt noch Schreibstil in Verbindung bringen kann. Das hört sich für mich eher nach einem verunglückten Werbetext an als nach einer treffenden Beschreibung des Buches.
Oh ja, ein "Männerbuch" brauche ich für die Lesechallenge auch noch, danke für den Tipp!
Viel Spaß damit!
20.12.2021: Das Buch hat die OBCZ verlassen.