Der Buchhändler aus Kabul

by Åsne Seierstad | Nonfiction |
ISBN: 3548604307 Global Overview for this book
Registered by wingkrimtangowing of Frankfurt am Main, Hessen Germany on 11/6/2016
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Journal Entry 1 by wingkrimtangowing from Frankfurt am Main, Hessen Germany on Sunday, November 6, 2016
Fünf Monate verbrachte Åsne Seierstad bei der Familie des Buchhändlers Sultan Khan in Kabul, lebte ihren Alltag und sammelte ihre Geschichten: von arrangierten Ehen und wertvollen Büchern, von der Freiheit des Geistes und der zaghaften Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Sie zeichnet das Porträt eines Buchhändlers mit Charisma, der Bücher über alles liebt - und dabei doch das klassische Oberhaupt einer islamischen Familie bleibt

Journal Entry 2 by wingkrimtangowing at Frankfurt am Main, Hessen Germany on Sunday, November 6, 2016
Nein, mir ist dieser Buchhändler (bei aller Liebe zum Buch) kein bißchen sympathisch. Ich finde es furchtbar, wie er mit seiner ersten Frau, seinen Kindern und dem Tischler umspringt, obwohl er sich freut, dass Afghanistan wieder moderner werden soll (aber bitte nicht zuhause).
Trotzdem habe ich das Buch gern gelesen, weil es einen Einblick in Verhältnisse gibt, die man sonst nicht kennen lernt.

Gelesen habe ich es für efells Lese-Challenge: Der Titel enthält eine Ortsangabe.

Journal Entry 3 by litrajunkie at Frankfurt am Main, Hessen Germany on Tuesday, November 8, 2016
Beim heutigen Stammtisch vom Wühltisch geangelt.

Warum ich wohl mein Foto der Steinernen Brücke hier anfüge?

Journal Entry 4 by litrajunkie at Pretzfeld, Bayern Germany on Wednesday, March 29, 2017
Oh weh, das war ein harter Brocken (bezieht sich auf das behandelte Thema, nicht etwa die Textqualität oder den Stil). Die Autorin gibt hier ihrer Reportage ein literarisches Gewand, um Identitäten verschleiern zu können, es handelt sich aber nicht um erfundene Charaktere bzw. Handlungsstränge. In Vittoria Alliatas Reisebericht "Harem. Die Freiheit hinter dem Schleier" geht es für die Frauen regelmäßig gut aus, weil trotz allem öffentlichen Macho-Gehabe der Männer die Gesellschaft letztendlich ein Matriarchat ist.

Ganz anders in Afghanistan. Recht schnell drängte sich mir für die dortige Gesellschaftsordnung das Adjektiv "gelähmt" auf, das die Autorin auch im Nachwort selbst benutzte. Die durchschnittliche afghanische Frau ist so eine Art "sprechendes Nutztier" - sie wird als billige häusliche Arbeitskraft verwendet, braucht nicht auf die Schule, weil zum Rechnen bzw. Verhandeln mit Verkäufern nicht die Frau auf den Markt geht, sondern die jungen Männer/Kinder der Familie. Lesen und schreiben braucht man ihr auch nicht beizubringen, da ihr die für die Lektüre aufgewendete Zeit bei der Hausarbeit fehlen würde - und außerdem könnte sie so mehr Wissen erlangen als ihr Herr und Meister.

Ganz hart wurde diese Entrechtung/Entmenschlichung durch die Taliban-Herrschaft durchgesetzt (deren 16 Geboten würde ich schon durch meine langen Haare und mein bis auf einen Schnauzbart rasiertes Barthaar so schwer zuwiderhandeln, daß eine Gefängnisstrafe dafür verhängt würde!), nach deren Absetzung verewigt sich diese (Un-)Kultur aber sowohl in den patriarchalisch organisierten Familien als auch durch die Frauen selbst, die lieber die Entscheidung an andere abgeben, als sich der Mühe einer Ich-Entfaltung zu unterziehen.

Alle in diesem Umfeld gängigen Übelstände werden beschrieben, u.a. daß die Frau als Jungfrau in die (von den Eltern - und zwar den weiblichen Verwandten - arrangierte) Ehe gehen muß. Dies schließt die Verheiratung von Kindern ebenso ein wie die echte Zwangsehe von volljährigen Frauen gegen ihren Willen. Da sie nicht aus dem "Gefängnis der Familie" entfliehen können, wird sich die Strafverfolgung als schwierig bis unmöglich erweisen. Es gibt zwar das Instrument der Verlobung, diese zu lösen ist für die Frau aber eine ebenso große Schande wie die Tatsache, über ein gewisses Alter hinaus unverheiratet zu bleiben und daher als "wertlos" zu gelten. Wert hier ganz prosaisch als Preis zu sehen, der auf dem "Heiratsmarkt" erzielt werden kann und in Alter der Bewerber und deren soziale Stellung genauso ausgedrückt wird, wie in Kamelen, Geld und Hausrat.

Ein freier, menschenwürdiger Umgang der Geschlechter miteinander ist somit ausgeschlossen, da nie erlernt und so vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes "undenkbar". Allerdings halte ich es für unangebracht, hier arrogant zu argumentieren, daß es so ja gar nicht gehe. Wie lange ist es her, daß Frauen auch hier in Deutschland nicht wählen durften? Seit wann darf eine verheiratete Frau ohne ihren Ehemann zu fragen, eine bezahlte Arbeit annehmen? Ist es wirklich schon vergessen, daß es noch in überschaubarer Vergangenheit rechtlich so war, daß das Vermögen der Ehefrau durch ihren Mann verwaltet wurde?

Aus eigenem Erleben weiß ich noch, daß die in den 1960ern geborenen deutschen Kinder in der Schule fein säuberlich nach Geschlechtern und Konfessionen getrennt durch die Schulzeit gingen - ich selbst hatte erst in der 10. Klasse das Glück, auch ein paar Mädels im Klassenverband zu haben.

Claudia Haarmanns Interviewsammlung "Unten rum" zeigt deutlich, daß wir auch und gerade in Deutschland noch große Defizite in bezug auf eine reife, entspannte, erfüllende und ohne falsche Scham als eine natürliche und wichtige Komponente des Mensch-Seins gelebte Sexualität haben.

Zitat
Im Grenzgebiet haben weder afghanische noch pakistanische Behörden irgendeine Kontrolle. Paschtunische Stämme kontrollieren ihre Gebiete beidseits der Grenze. Die Gesetzlosigkeit ist absurderweise im pakistanischen Recht festgeschrieben. Auf pakistainscher Seite haben die Behörden das Recht, auf asphaltierten Straßen einzugreifen und auch noch auf beiden Seiten von diesen in einem Abstand von zwanzig Metern. Jenseits davon herrschen die Stammesgesetze. (S. 58f)

Fazit
Ein sehr wertvolles Buch, gerade auch im Hinblick auf die Integration von Flüchtlingen - es liegen wirklich Welten zwischen der afghanischen und der deutschen Kultur. Dieser Graben kann - bei gutem Willen aller Beteiligten - selbstverständlich überwunden werden, aber das geht weder schnell noch gar "von selbst".
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Challenge Lesereise 2017
36. Buchhandlung: Buch, Zeichen, Schrift... Der Titel erfüllt die Anforderung quasi in idealer Weise.

Journal Entry 5 by litrajunkie at Buchregal vorm Hofcafe in Bamberg, Bayern Germany on Friday, March 31, 2017

Released 6 yrs ago (3/31/2017 UTC) at Buchregal vorm Hofcafe in Bamberg, Bayern Germany

WILD RELEASE NOTES:

Darf weiterreisen.

Weiteres freigelassenes Buch
__ Unten rumClaudia Haarmann

Gefunden (in einem anderen Bücherschrank)
Entfernung von der TruppeHeinrich Böll

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