Gletschergrab: Island Thriller

by Arnaldur Indriðason | Mystery & Thrillers | This book has not been rated.
ISBN: 340415262X Global Overview for this book
Registered by lavesa on 3/19/2014
Buy from one of these Booksellers:
Amazon.com | Amazon UK | Amazon CA | Amazon DE | Amazon FR | Amazon IT | Bol.com
1 journaler for this copy...
Journal Entry 1 by lavesa on Wednesday, March 19, 2014

Mehr über den Autor
› Besuchen Sie die Seite von Arnaldur Indriðason auf Amazon
Arnaldur Indriðason
Biografie
Island ist hierzulande eher für Vulkane, stämmige Pferde und Feen bekannt als für seine Literatur. Als eine der wenigen Ausnahmen hat es der Autor Arnaldur Indriðason geschafft, auch im Ausland erfolgreich Fuß zu fassen. In seinen Romanen um Kommissar Erlendur ist das schroffe Island ein Ort des Schreckens. Autor Indriðason (*1961) hat mit diesen Krimis einige renommierte Preise eingeheimst, u. a. den "Gold Dagger Award". Dabei war das erste Buch für den Journalisten und Filmkritiker Indriðason eigentlich nur "ein Versuch". Da dieser so positiv ausfiel, verdient der Isländer seine Brötchen inzwischen als Autor. Er lebt mit seiner Familie in Reykjavik.
Produktbeschreibungen
Amazon.de
Man möchte heutzutage gar nicht mehr wissen, wie viele Leichen noch in den Kellern diverser Mächte und ihrer Geheimdienste schlummern. Ironischerweise ist es in dem Spionagethriller des isländischen Bestsellerautoren Arnaldur Indridason Europas größter Gletscher Vatnajökull, der den amerikanischen Geheimdienst und die Streitkräfte der US-Basis Keflavik in Alarmbereitschaft versetzen. Denn der Gletscher beginnt 1999 –- zehn Jahre nach Ende des „Kalten Krieges“ –- plötzlich zu schmelzen und gibt mit dem Wrack eines abgestürzten Militärflugzeugs ein Geheimnis preis, das er seit dem Zweiten Weltkrieg unter seinem Eis verwahrt hatte.

Der militärische Geheimdienstchef Carr, der weiß, welche katastrophalen Folgen die Aufdeckung der Wahrheit einer geheimen Mission vor über fünfzig Jahren haben könnte, setzt daraufhin alle politischen und geheimdienstlichen Hebel in Bewegung, um die Angelegenheit vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Doch während den Bergungsarbeiten gerät Carrs skrupellosem Erfüllungsgehilfen Ratoff und dem aufwändigen Spezialkommando die Aktion aus dem Ruder.

Ratoff sieht sich bald nämlich nicht nur zufällig eines Reykjavíker Bergnotrettungsteams gegenüber, sondern auch der jungen Kristín. Sie bangt um ihren Bruder, der als Mitglied dieses Bergteams spurlos verschwindet, nachdem er ihr über GPS-Handy von den mysteriösen Aktivitäten auf dem Gletscher berichtet hatte. Daraufhin setzt Ratoff ein Killerkommando auf die ahnungslose Kristín an, so dass diese panikartig flüchten muss. Während sie von den Agenten verfolgt wird, sieht sie ihre einzige Chance darin, dieser albtraumhaften Geschichte selbst auf den Grund zu gehen ...

In Gletschergrab stellt Arnaldur Indridason eindrucksvoll dar, wie übel unschuldigen Menschen durch die Machenschaften von Geheimdiensten mitgespielt wird. Seine bissigen Anspielungen auf die anhaltende Militärpräsenz der USA und deren Gebaren auf Island, lassen nur vordergründig anti-amerikanische Züge erkennen. Hintergründig klagt er viel mehr eine hoffnungslos verlogene und desillusionierende Großmachtpolitik an, die schlicht über Leichen geht. Gletschergrab (im Original bereits 1999 erschienen) nimmt so in Form einer Parabel vorweg, wozu unumschränkte Machtpolitik fähig ist.

Die Moral von Indridasons intelligentem Spionagethriller kommt deshalb am besten in den Worten des militärischen Geheimdienstchefs Carr zum Ausdruck: „Es gibt heutzutage keine Wahrheiten mehr, wenn es denn jemals welche gegeben haben sollte. Wahrheit und Lüge sind nur Instrumente in unseren Händen. Für mich besteht da kein Unterschied. Man könnte sagen, dass wir in gewissem Sinne so etwas wie Historiker sind, die etwas von den Fehlern dieses in den letzten Zügen liegenden Jahrhunderts korrigieren. Es hat nichts mit irgendeiner Wahrheit zu tun, denn sie spielt überhaupt keine Rolle mehr. Wir gestalten die Geschichte so, wie es uns passt...“ --Christian Koch
Leseprobe. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
1945

Auf dem Gletscher tobte ein Orkan.
Er konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Er konnte kaum den Kompass erkennen, den er in der Hand hielt. Umkehren war unmöglich, selbst wenn er gewollt hätte. Es gab auch nichts, wohin er sich hätte wenden können. Der Sturm biss ihn, peitschte ihm ins Gesicht und fegte ihm aus allen Richtungen harten und kalten Schnee entgegen. Der Schnee blieb in seiner Kleidung hängen, und bei jedem Schritt sank er bis übers Knie ein. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren und wusste nicht, wie lange er schon gelaufen war. Er konnte keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht ausmachen; dieselbe schwere Dunkelheit hatte ihn eingehüllt, seitdem er losgegangen war. Er wusste nur, dass er am Ende seiner Kräfte war. Er machte jeweils ein paar Schritte hintereinander, ruhte sich aus und ging dann weiter. Ein paar Schritte. Pause. Schritt. Pause. Schritt. Pause. Schritt.
Den Absturz hatte er fast unverletzt überstanden. Andere hatten nicht so viel Glück gehabt. Das Flugzeug war plötzlich mit ohrenbetäubendem Lärm über den Gletscher geschlittert. Für kurze Zeit hatte er Flammen aus einem der beiden Propeller schlagen sehen, bis plötzlich die ganze Tragfläche abriss und in der Dunkelheit und dem tosenden Sturm verschwand. Kurze Zeit später riss auch der andere Flügel unter Funkensprühen ab, und der flügellose Flugzeugtorso schoss wie ein Torpedo über den Gletscher.
Er selbst, der Pilot und drei andere waren bei der Bruchlandung angeschnallt gewesen, aber zwei aus der Gruppe hatten die Nerven verloren, als die Situation kritisch wurde. Sie waren in ihrer Panik von den Sitzen aufgesprungen und zur Pilotenkabine gestürmt. Beim Aufprall auf den Gletscher schossen sie wie Gewehrkugeln durch die Maschine und waren auf der Stelle tot. Er hatte sich geduckt, sah sie erst gegen die Decke, dann gegen die Seitenwand des Flugzeugs prallen, bis sie an ihm vorbei in den hinteren Teil des Flugzeugs geschleudert wurden, wo ihre Schreie erstarben.
Der Torso schabte über den Gletscher und pflügte durch Eis und Schnee, bis er allmählich an Geschwindigkeit verlor und schließlich zum Stehen kam. Dann war auf einmal alles still, bis auf das Heulen des Sturms.
Er war der Einzige, der gleich hinaus in das Unwetter wollte, um zu versuchen, bewohnte Gebiete zu erreichen. Die anderen wollten abwarten, denn sie hofften darauf, dass sich der Sturm legen würde. Sie wollten zusammenbleiben. Er war nicht zu halten. Er wollte nicht Gefahr laufen, im Flugzeug eingeschlossen zu werden. Wollte nicht, dass es zu seinem Sarg wurde. Mit ihrer Hilfe rüstete er sich so gut wie möglich für den Marsch. Er war noch nicht lange in dem unablässig wütenden Schneesturm unterwegs gewesen, als er begriff, dass er besser bei den anderen im Flugzeug geblieben wäre. Nun war es zu spät.
Er versuchte, Kurs nach Südosten zu halten. Vor der Bruchlandung hatte er für einen Moment ein Licht wie von einer menschlichen Ansiedlung gesehen und war der Meinung, in die richtige Richtung zu gehen. Er fror, seine Schritte wurden immer schwerer, und der Orkan schien eher noch an Stärke zu gewinnen als nachzulassen. Er kämpfte sich weiter durch den Schnee, aber seine Kräfte schwanden zusehends.
Er dachte an das Schicksal, das die anderen erwartete, die in der Maschine zurückgeblieben waren. Als er sie verließ, verschwand das Flugzeug schon unter Schnee, und die Furche, die es auf dem Gletscher gezogen hatte, wehte bereits wieder zu. Sie hatten Petroleumlampen dabei, aber das Petroleum würde nicht lange vorhalten, und die Kälte auf dem Gletscher war mörderisch. Die Tür des Flugzeugs durfte nicht offen bleiben, weil es sich sonst mit Schnee füllen würde. Wahrscheinlich waren sie jetzt schon im Flugzeug eingeschlossen. Sie wussten, dass sie auf jeden Fall erfrieren würden, ob sie im Flugzeug blieben oder hinaus auf den Gletscher gingen. Die wenigen Möglichkeiten, die ihnen blieben, hatten sie durchgesprochen. Er hatte ihnen gesagt, dass er nicht still dasitzen und auf seinen Tod warten würde.
Er hatte ihnen gesagt, dass er nicht im Flugzeug eingeschlossen werden wollte.
Die Kette rasselte. Die Tasche zog an seinem Arm. Sie war mit Handschellen an seinem Handgelenk befestigt. Er hatte den Griff schon lange losgelassen und schleifte die Tasche an der Kette hinter sich her. Die Handschellen schnitten in sein Handgelenk, aber das war ihm gleichgültig.
Ihm war alles gleichgültig.

Sie hörten das Flugzeug, lange bevor es in westlicher Richtung über sie hinwegflog. Sie hörten durch das Gebrüll des Orkans, wie es sich näherte, aber als sie zum Himmel schauten, war da nichts als winterliche Dunkelheit und peitschende Schneeböen. Es ging auf elf Uhr abends zu. Sie hatten sofort an ein Flugzeug gedacht. Wegen des Flughafens der Briten im Hornafjörður hatte all die Kriegsjahre hindurch in diesem Gebiet ein ziemlich reger Flugverkehr geherrscht, sodass sie inzwischen die meisten britischen und amerikanischen Flugzeuge am Geräusch erkannten. Dieses Geräusch hatten sie noch nie zuvor gehört. Und noch nie war das Dröhnen so nah gewesen. Es schien, als hielte das Flugzeug direkt auf ihren Hof zu.
Sie waren nach draußen gegangen und hatten schon eine Weile auf der Treppe gestanden, als das dröhnende Motorengeräusch seinen Höhepunkt erreichte. Sie hielten sich die Ohren zu und verfolgten das Geräusch in Richtung Gletscher. Für einen Augenblick sahen sie über sich einen dunklen Schatten, der sofort wieder in der kohlrabenschwarzen Nacht verschwand. Sie hatten den Eindruck, dass das Flugzeug zu steigen versuchte. Das Geräusch entfernte sich langsam, bis es schließlich über dem Gletscher verstummte. Sie dachten beide dasselbe. Das konnte nicht gut gehen. Das Flugzeug flog zu niedrig. Wegen des Unwetters war die Sicht gleich null, und die Maschine würde in wenigen Minuten zur Beute des Gletschers werden. Selbst wenn das Flugzeug noch an Höhe gewinnen würde, wäre es zu spät. Der Gletscher war zu nah.
Nachdem das Dröhnen erstarb, standen sie noch ein paar Minuten auf der Treppe, starrten in den Schneesturm und horchten. Es war nichts zu hören. Dann gingen sie wieder ins Haus. Sie konnten niemanden anrufen, um ihre Beobachtung zu melden, da die Telefonverbindung vor kurzem durch ein anderes Unwetter unterbrochen worden war. Bei dem Wetter war es unmöglich gewesen, die Leitung zu reparieren. Das waren sie gewohnt. Jetzt war wieder ein Unwetter über sie hereingebrochen und tobte fast noch heftiger als das vorige. Als sie zu Bett gingen, sprachen sie darüber, dass sie versuchen wollten, auf Pferden den nächsten größeren Ort, Höfn im Hornafjörður, zu erreichen. Dort wollten sie das Flugzeug melden, sobald der Sturm nachgelassen hatte.
Das Wetter beruhigte sich vier Tage später, und sie brachen auf, um nach Höfn zu reiten. Durch den tiefen Neuschnee kamen sie nur langsam vorwärts. Die beiden waren Brüder und wohnten allein auf dem Hof. Ihre Eltern lebten nicht mehr, und keiner von beiden hatte geheiratet. Auf dem Weg machten sie auf zwei Höfen Rast und übernachteten auf dem zweiten. Sie berichteten vom Flugzeug und ihrer Befürchtung, dass es vermutlich abgestürzt war. Die Leute auf den anderen Höfen hatten das Flugzeug nicht bemerkt.
Als die Brüder nach Höfn kamen, erstatteten sie Meldung über den Zwischenfall. Die Nachricht über die Sichtung des Flugzeugs südlich des Gletschers Vatnajökull und die Vermutung, dass es über dem Gletscher abgestürzt sei, wurden direkt telefonisch nach Reykjavík übermittelt. Der Flugsicherung der amerikanischen Besatzungsmacht in Reykjavík, die den gesamten Flugverkehr über Island und dem Nordatlantik koordinierte, waren keine Flugbewegungen zur angegebenen Zeit in der besagten Region bekannt. Angesichts der gefährlichen Großwetterlage war der Flugverkehr auf ein Minimum reduziert gewesen.
Etwas später am gleichen Tag erreichte den Landrat in Höfn ein Telegramm von der obersten Heeresleitung. Die amerikanischen Streitkräfte übernähmen von nun an die...

Are you sure you want to delete this item? It cannot be undone.