Nackte Väter.

by Margit Schreiner | Literature & Fiction | This book has not been rated.
ISBN: 3492226868 Global Overview for this book
Registered by Drmakspy of Volos - Βόλος, Magnisia Greece on 5/29/2013
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Journal Entry 1 by Drmakspy from Volos - Βόλος, Magnisia Greece on Wednesday, May 29, 2013
Schreiner nicht mit Sensationen beeindruckt, so tut sie es ganz gewiß mit ihrem erzählerischen Vermögen. Die Autorin setzt auf gelungene assoziative Sprünge zwischen Traum und Wirklichkeit, Jetzt-Zeit und Erinnerung. Und sie setzt auf das Tempo ihrer Sprache. Schon der erste Satz haut rein: Er erstreckt sich über knapp drei Seiten, auf denen die Ich-Erzählerin die Beerdigung ihres Vaters schildert - detailversessen und dennoch atemlos, als wolle sie die schlimme Erinnerung möglichst schnell hinter sich lassen. Doch die Erzählerin bleibt bei den schlimmen Erinnerungen, bei den peinlichen, den traurigen. Sie schildert, wie sie ihren greisen, geistig verwirrten Vater besucht, und sieht, wie er nachts nackt durch die Wohnung irrt und sich in ihr Bett legt. Der Schreck sitzt tief: "Ich ... lief ... in den Schillerpark gegenüber, wo ich unter hohen, lindgrünen Bäumen ins Gebüsch kotzte." Die Erzählerin kann nicht fassen, was aus dem Über-Vater ihrer Kindertage geworden ist. Den hat sie bewundert, den vermißte sie verzweifelt, wenn er nur für wenige Tage fort war. Einmal, so fällt ihr wieder ein, mußte sie für zehn Tage ins Kinderheim, weil keiner auf sie aufpassen konnte. Ohne den Vater war es so trostlos, daß ihr nichts anderes blieb, als einen Brotkrumen zum Talisman zu erklären: Der Brotkrumen sollte sie an behütete Zeiten erinnern.
Schreiners neuer Roman ist eine Chronik des Verdrängten, und darin liegt sein Reiz. Eine Erzählerin, die in der Mitte des Lebens steht, begibt sich an die Ränder des Bewußtseins, widmet sich den ersten und den letzten Tagen, dem Trost-Brotkrumen in der Kinderschürze und dem Anblick eines Sterbenskranken. Auf diese Weise aktiviert die Autorin beim Leser verschüttete Erinnerungen - vor allem daran, daß sich im Kleinen, fast Vergessenen der Kern des Daseins verbergen kann.

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