Erklärt Pereira - Eine Zeugenaussage

by Antonio Tabucchi | Literature & Fiction |
ISBN: 3446182985 Global Overview for this book
Registered by blups25 of Bonn, Nordrhein-Westfalen Germany on 4/7/2010
Buy from one of these Booksellers:
Amazon.com | Amazon UK | Amazon CA | Amazon DE | Amazon FR | Amazon IT | Bol.com
This book is in a Controlled Release! This book is in a Controlled Release!
2 journalers for this copy...
Journal Entry 1 by blups25 from Bonn, Nordrhein-Westfalen Germany on Wednesday, April 7, 2010
Lissabon im Sommer 1938 zur Zeit der Salazar-Diktatur. Pereira, verantwortlich für die neue Kulturseite der katholischen Abendzeitung Lisboa, sucht einen freien Mitarbeiter, der Nachrufe auf bedeutende Schriftsteller schreiben soll. Er stellt den begabten jungen Monteiro Rossi an, der gerade seine Dissertation über den Tod publiziert hat und dringend Geld benötigt. Sein erster Nachruf auf den spanischen Schriftsteller Federico Garía Lorca, der von seinen politischen Gegnern ermordet wurde, ist wegen seiner antifaschistischen Ansichten »nicht zur Veröffentlichung geeignet« und würde niemals die Zensur passieren. Obwohl Pereira auch alle weiteren Nachrufe Monterios wegen ihres revolutionären Inhalts für unbrauchbar hält, bewahrt er sie auf und bezahlt Monteiro für seine Arbeit aus eigener Tasche. Das bisher ruhig verlaufene Leben des unpolitischen Pereira, der mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart lebt, wird durch seinen Mitarbeiter nach und nach in seinen Grundfesten erschüttert. Monteiro gelingt es, Pereira zu überreden, einem spanischen Widerstandskämpfer ein sicheres Versteck zu besorgen. Schließlich ist es der völlig erschöpfte Monteiro selber, der Zuflucht in Pereiras Wohnung sucht. Doch die Salazar-Polizei entdeckt ihn dort und bringt ihn im Beisein des machtlosen Pereira auf brutale Weise um. Daraufhin schreibt Pereira einen letzten Artikel für die Kulturseite seiner Zeitung ...

Soweit der Inhalt. Ich habe mich nie wirklich mit der Salazar-Diktatur befasst, die Hintergründe der Geschichte kannte ich beim Lesen daher nicht. Aber eigentlich sind sie auch nicht wirklich wichtig. Diktaturen mit Geheimpolizei sind doch alle irgendwie gleich (im Sinne von: gleich schrecklich). Ich muss vorweg stellen, dass ich den Titel des Buches immer falsch verstanden habe. Für mich klang der Titel stets wie eine Aufforderung. Der Leser (oder ein bestimmter Adressat des Buches), solle Pereira und sein Verhalten erklären. Aber das ist so gar nicht gemeint. Der Titel bezieht sich darauf, dass das Buch mit dem Untertitel Eine Zeugenaussage daherkommt, und die Geschichte das ist, was Pereira scheinbar später zu Protokoll gibt, also das, was Pereira erklärt. So fängt das Buch auch an mit "Pereira erklärt, er habe ..." und hört auf mit "... und er hatte keine Zeit zu verlieren, erklärt Pereira." Gut, ich als Leser soll also nichts erklären.

Herr Moritz schreibt in seiner Überlebensbibliothek (s.u.), dass "wenige Seiten genügen [...] um [Pereira] der Sympathie der Leser zuzuführen." Das kann ich so nicht unterschreiben. Ich fand den dicken, politisch uninteressierten, schlappen Pereira eigentlich nicht wirklich sympathisch (aber nun auch wieder nicht unbedingt unsympathisch). Erst auf den letzten Seiten, als Pereira tatsächlich etwas aus eigenem Antrieb tut und dazu mal nicht von seinem Praktikanten oder seinem Arzt überredet werden muss, da fand ich ihn doch nicht so übel. Ich hatte in bisschen den Eindruck, dass sich der herzkranke Herr Pereira (einen Vornamen scheint er nicht zu haben) sehr mit dem Tod beschäftigt. Er spricht nicht nur mit dem Bild seiner toten Frau und ist fasziniert von Monteiros Dissertation zum Thema Tod und lässt ihn Nachrufe auf Vorrat (!) schreiben, er schreibt selbst auch eine Kolumne "Jahrestage", in der es um die Todestage berühmter Schriftsteller geht und übersetzt französische Schriftsteller, die auch schon lange von uns gegangen sind. Da stellt sich die Frage, ob Pereira am Ende reagiert wie er reagiert, weil er ein bisschen lebensmüde ist und nichts zu verlieren hat?

Auffällig auch, dass Pereira in seiner Zeugenaussage oft Dinge andeutet, dann aber nichts dazu sagen will, weil es mit der Geschichte nichts zu tun habe. Und gibt er auch zu Protokoll, was er gerne gesagt hätte, dann aber doch nicht sagt. Pereira bleibt so immer ein bisschen ein Rätsel. Auch weil er mehrfach sagt, er habe nichts mit Politik zu schaffen und wolle in nichts hineingezogen werden - dann aber doch hilft, Geld gibt, seine Telefonnummer und Adresse rausgibt und vor allem doch immer wieder Fragen stellt zu Dingen, die er doch eigentlich nicht wissen will. So ganz schlau werde ich nicht aus diesem Pereira, habe mich aber, wie gesagt, auf den letzten Seiten des Buches wieder mit ihm versöhnt. Pereira ist kein strahlender Held des Widerstandes. Aber am Ende schlägt er sich doch tapfer auf die richtige Seite.

Das Buch ist Teil der Überlebensbibliothek, es wird dort geführt in der Kategorie "Wer den Glauben an persönliches Engagement wenigstens ab und zu gestärkt sehen will, lese ...". Herr Pereira ist reserviert für Amandil und/oder Aprille, die beide auch die Überlebensbibliothek rauf und runter lesen.

Journal Entry 2 by blups25 at Den Haag, Zuid-Holland Netherlands on Monday, August 9, 2010
Übergeben an Amandil.

Journal Entry 3 by Aprille at Bochum, Nordrhein-Westfalen Germany on Tuesday, August 17, 2010
Ich habe dieses Buch nicht hier, es ist bei Amandil, aber ich darf hier aufschreiben, warum es ein Buch ist, das mich begeistert hat.
Ich möchte vorausschicken, dass Amandil und Blups und Primzahl und Sils-Maria und eine Nicht-BC-Leserin und ich gemeinsam einen literarischen Zirkel hatten, in dem sich nach und nach herauskristallisierte, dass es "Alteleute"- und "Jungeleute"-Bücher gibt. Und "Erklärt Pereira" scheint mir eines aus der ersten Kategorie zu sein.
Pereira ist ein alter, fetter, kranker Witwer, der zu müde ist für die meisten Aktivitäten. Er beschäftigt sich naturgemäß häufig mit dem Tod und fürchtet nichts so sehr, wie die "Auferstehung des Fleisches", die seine Kirche ihm androht.
Und dann lernt er diesen jungen Mann kennen, mit dem ihn das Interesse am Tod verbindet, der aber voller Elan und Kampfgeist ist. Er kämpft gegen die Dinge, mit denen Pereira sich abgefunden hat. Und Pereira beobachtet zunächst nur. Aber dann verändert sich sein Verhalten und er erlebt die "Auferstehung des Fleisches".
Wenn ich an das Buch zurückdenke, habe ich den Duft von gebratenem Ei in der Nase und von Meerwasser und Algen. Ich spüre die Ohnmacht und die vergebliche Anstrengung
(da gibt es doch die Szene, in der Pereira sich noch einmal weit hinauszuschwimmen wagt...), aber ich glaube nicht, dass er sich aus einer Todessehnsucht heraus für Rossi einsetzt: er hat sich (noch?) einmal aufraffen können, sich zu engagieren.
Man muss vielleicht selbst älter und schlapper sein, um diesen Pereira zu mögen, der seinen Arzt belügt, um sich den Rest seines gelebten Lebens nicht noch mit irgendwelchen Ernährungsvorschriften verderben zu lassen...
Ich habe noch einmal dieses wundervolle und (mir) unvergessliche erste Kapitel gelesen... Ich habe mein unregistriertes Exemplar nämlich immer in Reichweite...
Ein Schatz von einem Buch und durchaus spannend zu lesen, weil man sich beim Lesen die ganze Zeit fragt, wo er diese Erklärungen abgibt, abgeben muss...
Und es endet so ungerecht, wie es auf der Welt oft zugeht: der junge Mensch muss sterben, der Alte muss weiterleben...

Journal Entry 4 by Aprille at Bochum, Nordrhein-Westfalen Germany on Thursday, February 3, 2011

Released 13 yrs ago (2/3/2011 UTC) at Bochum, Nordrhein-Westfalen Germany

CONTROLLED RELEASE NOTES:

Es gibt die Welt des Virtuellen. Und es gibt die Welt des Transvirtuellen. Dieses Buch war nie bei mir, dennoch konnte ich es journaln und kann es "weiterreisen" lassen. Ich muss es sogar weiterreisen lassen, damit es von meinem virtuellen Shelf als "book in hand" verschwindet.

Are you sure you want to delete this item? It cannot be undone.