Streulicht
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Deniz Ohde ist eine genaue Beobachterin, die das Gesehene präzise und detailliert wiedergibt. Unaufdringlich. Die Fäden scheinen erst lose, aber dann zieht sich das Geflecht immer mehr um den Leser zusammen, die Atmosphäre trifft tief in die Magengrube. Ein "leise schreiendes" Buch.
Mich hat das noch lange nicht wieder losgelassen.
Zitat: „Niemand hatte sich je die Zeit genommen, den Scheffel ausfindig zu machen, unter dem mein Licht stand; der Scheffel war der Satz selbst, der Scheffel waren die Wände, gegen die nachts die Aschenbecher flogen, der Scheffel war »Sei still« und »Sprich lauter«, zwei Forderungen, die ich gleichzeitig erfüllen sollte. Paradox oder nicht, schlussendlich war es meine eigene Schuld, dass ich Ihnen nicht Folge leisten konnte.“
Zudem danke ich auch für alle die Beigaben, das Büchlein mit den Nominierten, die Tees, das Lesezeichen und den Sticker, das ist ja schon ein richtiges Wichtelpaket gewesen! Da ich mein vorheriges Buch soeben fertig gelesen habe, kann ich heute schon anfangen.
Anfangs tat ich mich etwas schwer, denn die Geschichte ist sehr traurig und düster. Aber sie ist natürlich wahr und sehr wahrhaftig erzählt. Ich bin selbst im Bildungsbereich tätig und den Jahrgang 1988 habe ich definitiv sowohl an der Schule als auch an der Uni unterrichtet. Das könnte also meine Schülerin, meine Studentin sein. Sind mir ebenso die Schüler achtlos durchgerutscht wie den Lehrerinnen und Lehrern der Erzählerin dieses Buches? Immer wieder ermahne ich meine Lehramtsstudierenden, nicht zu vergessen, dass die Kinder, die sie vor sich haben, nicht die selbe Biografie haben wie sie, die vermutlichen Mittelschichtskinder. Ich erinnere sie daran, dass sie Kinder unterrichten werden, die einen anderen Habitus haben, die geheimen Zeichen nicht kennen, welche Zugehörigkeit ausstrahlen. Aber gelingt es mir selbst?
Das Buch von Deniz Ohde ist definitiv entlarvend und es ist für mich auch erschütternd. Die Ich-Erzählerin schafft den Bildungsaufstieg, aber so schwer, unter so großen Erschütterungen der eigenen Identität und des eigenen Selbstwertgefühls, dass ich tief betroffen bin. Es ist sicher kein Zufall, dass die Ich-Erzählerin in der Schule Hesses „Unterm Rad“ lesen muss - denn sie erzählt eine ganz ähnliche Geschichte, wenn auch mit optimistischeren Ausgang. Ich hoffe wirklich, dass es in Deutschland möglich ist, das Bildungsversprechen einzulösen. Doch wenn ich an die Schulfolgen der Corona-Pandemie denke, dann sind es genau Kinder und Jugendliche wie die Erzählerin dieses Buches, die durchs Raster fallen. Denn genau diese Kinder brauchen gute Lehrkräfte, müssen gesehen werden, müssen gestützt werden. Und sie brauchen auch gute Freunde. Vieles an dem Buch hat mich erschüttert und verstört, die Eltern, die Freunde, die Umgebung. Niemand ist wirklich böse - die Lehrkräfte allerdings mitunter schon - aber viele sind einfach so achtlos.
Es ist kein besonders schönes Buch, aber ich finde es wichtig.
Ich selbst bin nach der Definition auch eines. Wobei ich aus der Sicht meiner Mitschüler:innen eher aus einem Intelektuellenhaushalt kam/komme: Theater! Oper! Jazzkonzerte! Ballett! Und natürlich BÜCHER!! ;))
Insofern bin ich ziemlich gespannt aus das Buch. Ich glaub, es ist mein Dezemberbuch? Dann kann ich ja in Ruhe die beiden Ringe vornweg lesen, die noch hier sind.
21.11.2020
Das Buch ist schon unterwegs zu XIRXE.
Ich fand das Buch war ungewöhnlich und sehr gut geschrieben. Ich frage mich nur, warum so viele Bücher, die unter guter Literatur laufen, so negative Inhalte haben? Für üble Schilderungen der Realität haben wir doch Zeitungen und Magazine. Ich persönlich flüchte mich mit Büchern gern in schönere Welten. Seit wir in einer Pandemie leben, die mein übliches, ziemlich schönes Leben leider schlechter macht, ist mir Aufheiterung durch Bücher noch wichtiger. Aber gleichzeitig will ich nicht im Seichtsumpf ersaufen. Also danke für dies Buch und für das ganze Abo!!
19. Februar 2020
Ich bin bei diesem Buch hin- und hergerissen. Die Lebensgeschichte der Protagonistin, die in einer bildungsfernen Arbeiterfamilie aufwächst, in der der Vater Alkoholiker ist und von fortwährender Sammelwut beherrscht wird, ist grandios beschrieben. Deniz Ohde, von deren eigenen Erfahrungen sicherlich viel in dieses Buch eingeflossen ist, schildert so überzeugend dieses Milieu, dass man kaum glauben kann, dass dies ein fiktiver Roman ist. Der Vater, 'vom selben Schlag' wie der Großvater, der im selben Haus lebt, kennt nur Pflichten - 'das Wort Wunsch war verboten' ebenso wie Gefühle, die zu den Frauen gehörten. Ihre Mutter ist Türkin, ebenso bildungsfern wie der Vater, aber dem Leben, dem Schönen, dem Neuen viel mehr zugetan, doch ohne die Möglichkeit, sich dem zuzuwenden.
Und trotzdem schafft es die Ich-Erzählerin, die unter latenter Diskriminierung und auch dadurch an schon fast krankhaften Minderwertigkeitskomplexen leidet, im 2. Anlauf das Abitur zu bestehen und an einer Universität, fern von daheim, zu studieren. Doch ihre Herkunft, durch die sie 'doppelt gestraft' ist, verfolgt sie weiter.
Wie schon geschrieben: Es ist beeindruckend dargestellt. Aber leider nur grau in grau. In dem ganzen Buch gibt es im Leben der Hauptfigur absolut nirgendwo auch nur irgendwo einen Lichtblick. Menschen sollen an Problemen wachsen, ok, vielleicht nicht an allen, aber doch an manchen. Aber diese junge Frau wächst nicht, sie kämpft sich durch und bleibt so klein wie am Anfang. Je weiter ich mit dem Lesen kam, umso öfter habe ich mich gefragt, was sie überhaupt noch am Leben hält. Ihre Herkunft ist es sicherlich nicht und ihr neues Leben - na ja.
So ist dieses Buch eine wirklich gut geschriebene Geschichte mit völlig deprimierenden Inhalt. Ein wenig mehr Licht, vielleicht auch nur Streulicht, hätte ihr mehr als gut getan!
Released 3 yrs ago (2/20/2021 UTC) at Mail, Bookring -- Controlled Releases
CONTROLLED RELEASE NOTES:
Viel 'Vergnügen' (?) beim Lesen wünsche ich allen weiteren Lesenden!
Aber wenn man so aufwächst wie die Protagonistin, in einer tristen Industriegegend mit einem trinkenden und krankhaft sammelnden Vater, einer Mutter mit Migrationshintergrund, die sich nicht behaupten kann und einem fast blinden Großvater.....dann wird man doch komplett übersehen und kann nicht zu einem selbsbewußten fröhlichen Menschen heranwachsen.
Für mich hat Deniz Ohde das perfekt beschrieben....diese leisen Töne, die einfach unter die Haut gehen und sprachlos machen.
19.3. macht sich auf den Weg zu 3malglueck!
Ich kann mich vielem anschließen, was bereits über das Buch gesagt wurde. Auch ich habe schon erlebt, wie ein Kind bereits im Kindergarten in eine Schublade gesteckt wurde und nicht mehr herauskam. Was mich an der Geschichte stört, sind diese andauernd negativen und düsternen Beschreibungen: die Wiese ist nicht grün, nein, sie ist vom Regen aufgeweicht, die Weidenzweige sind aschbraun, es wird nicht der Neuschnee beschrieben, sondern die schwarzen Fasern eines umgestürzten Baumes. Warum hat sie während des Studiums keine Praktika gemacht - ist da auch das Bildungssystem schuld? Insbesondere im letzten Viertel hat mich das extrem genervt.
Das Buch zählt für Punkt 51 "Dachboden" der LeseChallenge 2021 von efell, da auf alten Dachböden Streulicht durch die Balken schimmert.
Released 2 yrs ago (5/3/2021 UTC) at BookRing in -- Per Post geschickt/ Persönlich weitergegeben --, Berlin Germany
WILD RELEASE NOTES:
Das Buch reist weiter an die nächste Ringstation.
Und vielen Dank noch für die vielen Label!
Ganz schlimm fand ich den Moment, in dem der Vater zugibt, dass er dazu beigetragen hat, dass seine Tochter in der Schule übersehen oder nicht gesehen wurde. Dass er hätte aufbegehren können, es aber nicht getan hat.
Als positiv lese ich die Geschichte, dass die Ich-Erzählerin gegen alle Prognosen und Widerstände, auch gegen den Vater, der sie immer kleinzuhalten versucht, ihren Weg an die Uni findet und zumindest versucht, sich aus dem Einheitsbrei des Ortes zu lösen.
Released 2 yrs ago (5/17/2021 UTC) at Bookring, A Bookring -- Controlled Releases
CONTROLLED RELEASE NOTES:
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Im Grunde ist es die Geschichte der - zumindest vorläufigen - Überwindung einer Depression.
Alles versinkt im Grau-in-Grau, auch Dinge, die doch eigentlich Mut machen sollten, wie die positive Einschätzung der einen Lehrkraft oder die Freundschaft zu Sophia und Pikka, die einer anderen Schicht angehören, bringen der ganz in ihrer Hoffnungslosigkeit versunkenen Protagonistin keine Erleichterung.
Was mir unbedingt fehlt ist, was schlussendlich den Anstoß gegeben hat, daß die Protagonistin ihr Leben wieder in die Hand nimmt.
Was gab den Ausschlag dafür? Irgendwoher muß ja am Ende der Stups gekommen sein, der die junge Frau - zumindest fürs erste - aus ihrer Lethargie reisst. Aber man erfährt nichts davon.
Der Erfolg am Ende, wenn man das Studium in einer anderen Stadt denn als solchen werten kann, ist schon wieder von einem leichten Grauschleier überzogen und lässt nichts allzu Gutes für die Zukunft erwarten.
Ein sehr deprimierendes Buch.
Released 2 yrs ago (8/20/2021 UTC) at -- Per Post geschickt/ Persönlich weitergegeben --, Bayern Germany
CONTROLLED RELEASE NOTES:
Es wird etwas warten müssen, da zwei weitere Ringbücher schon hier sind ...
Vieles ist schon gesagt worden. Dem meisten kann ich zustimmen. Ich hatte noch ein ganz anderes "Erlebnis": Frankfurt, Frankfurt-Höchst, der Industriepark Höchst waren trotz leichter Verfremdung natürlich sofort zu erkennen.
Ein gut geschriebenes Buch, eine Protagonistin, die es sicher nicht leicht gehabt hat, was aber nicht nur der "Unaufmekrsamkeit" einiger Lehrer und Lehrerinnen angelastet werden kann. Sie schafft es zwar sich zu zeigen, das sie es "doch kann", aber ihre Persönlichkeit und ihr Selbstverständnis können daran nicht wachsen. Schade!
Das Buch ist bereits wieder auf Reisen.