Die Frau im Mond

by Milena Agus | Literature & Fiction |
ISBN: 345565083X Global Overview for this book
Registered by Wortklauber of Frechen, Nordrhein-Westfalen Germany on 7/12/2018
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Journal Entry 1 by Wortklauber from Frechen, Nordrhein-Westfalen Germany on Thursday, July 12, 2018
Sardinien zur Zeit des Zweiten Weltkriegs: Eine junge Frau ist von der einen, alles verzehrenden Sehnsucht erfüllt, die große Liebe zu erleben. Nur die Liebe, meint sie, macht ein bäuerliches Leben ihrer Zeit überhaupt erträglich. Da sie bildschön ist, hat sie viele Verehrer, das Verlieben fällt ihr nicht schwer. Trotzdem verschreckt irgendetwas an ihr die jungen Männer. Vielleicht liegt es an den leidenschaftlichen Gedichten, die sie ihnen schreibt, Gedichten, die nicht frei von Anzüglichkeiten sind. Vielleicht stimmt ja, was ihre Mutter meint: dass ihre Tochter den Teufel im Leib hat. Oder zumindest, dass sie verrückt ist. Das eine wie das andere lässt alle Verehrer früher oder später das Weite suchen: zu viel Leidenschaft ist schon fast wie eine Geisteskrankheit. Von der Mutter misshandelt und mit eisiger Missachtung gestraft, wohlgelitten vom Vater und den jüngeren Schwestern – die allerdings ihrer eigenen Zukunft zunehmend sorgenvoll entgegensehen, denn immerhin muss die älteste Tochter zuerst verheiratet werden – erscheint sie wie eine Frau vom Mond, wie ein Wesen, nicht von dieser Welt.

So geht die Frau schon auf die Dreißig zu, als sich endlich jemand ernsthaft für sie interessiert: ein Witwer, dessen Haus im Bombenhagel dem Erdboden gleichgemacht worden ist und der von der Bauersfamilie aufgenommen wird. Ist es pure Dankbarkeit, die ihn dazu veranlasst, um die Hand der ältesten Tochter anzuhalten? Egal! Die Erleichterung ist groß – nur nicht bei der Frau. Sie wird ihn niemals lieben, sagt sie ihm frei heraus. Das sei ihm gleich, entgegnet er, er liebe sie auch nicht. Sie würde ihm niemals eine Frau sein? Auch das akzeptiert er. Er wird einfach weiter ins Hafenviertel gehen.

Eines Tages erkrankt die Frau schwer: an der Steinkrankheit. Ein Arzt rät ihr zu einer Thermalkur. Dort trifft sie auf einen kriegsversehrten Mitpatienten, den Reduce. Der Mann schenkt ihr Aufmerksamkeit, fragt sie nach ihrer Meinung, sie teilt schließlich ihre geheimen Aufzeichnungen und Gedanken mit ihm. Im tristen Alltag des Sanatoriums findet die Frau, was sie sich immer gewünscht hat: die große Liebe. Die Dinge nehmen ihren Lauf. Neun Monate später bringt die Frau einen Sohn zur Welt.

Abgesehen davon, dass in Märchen wahrscheinlich grundsätzlich keine Freudenhäuser vorkommen, hat der Anfang des Romans etwas durchaus Märchenhaftes. Die schöne junge Frau, die böse Mutter (wenn auch nicht erklärtermaßen Stiefmutter), der liebevolle, aber schwache Vater, die Schwestern, die fürchten müssen, alte Jungfern zu werden, der Bräutigam schließlich als (zunächst) verschmähter König Drosselbart. Das Romangeschehen allerdings ist eindeutig zu vielschichtig für dieser Erzählform. Er wird von der Enkelin der Hauptperson (die im Roman immer nur als „Großmutter“ bezeichnet wird) erzählt. Diese Sichtweise ist insofern ungewöhnlich, weil ein Enkel in der Regel immer nur einen beschränkten Blick auf seine Großeltern hat, nämlich die des Kindes auf sehr viel ältere Bezugspersonen, also solche, die es hegen und pflegen, aber kein eigenes Leben haben. Die Erzählerin im Roman jedoch hat einen sehr viel weiteren Blick auf ihre Großmutter, kann sie doch von Erzählungen ihrer Mutter und von persönlichen Aufzeichnungen der Großmutter zehren. So entsteht ein Blickwinkel, der gleichzeitig von engen familiären Banden geprägt ist, aber auch Aspekte der Persönlichkeit der Großmutter gerade nicht ausspart, als diese noch eine junge Frau war, die eine sexuell erfüllte Ehe führte und eine große romantische Liebe zu einem anderen Mann erlebt hat. Sie erzählt von ihrer Großmutter als einer Frau, die mit einem reichen Gefühlsleben und viel Fantasie ausgestattet ist, im wahren Leben allerdings seltsam unbeholfen ist, die aneckt, so talentiert wie unverstanden ist – in einem anderen Leben wäre sie, der zweifellos vorhandenen Einschränkungen auch gesundheitlicher Natur zum Trotz, vielleicht eine Schriftstellerin geworden. Der Roman ist – was auch immer das heißt – nicht nur „gut geschrieben“, sondern feiert auch die Kraft der Kreativität und musischen Begabung – wenn sich auch manchmal erst in kommenden Generationen durchsetzend, ein dennoch tröstlicher Gedanke.

PS: Der (mit gut 130 Seiten kurze) Roman ist 2006 im Original als „Mal di pietre“ erschienen und wurde mehrfach ausgezeichnet. Was im Italienischen immer noch Klang hat, macht sich im Deutschen als „Steinkrankheit“ weniger gut, weshalb kaum verwunderlich ist, dass sich der deutsche Verlag für das klingendere „Die Frau im Mond“ entschieden hat, einem Titel, der zudem (aber längst nicht selbstverständlich) immer noch Widerhall im Roman hat. Zehn Jahre später wurde er von der französischen Regisseurin Nicole Garcia mit Marion Cotillard in der Hauptrolle verfilmt. Der Film entfernt sich allerdings erheblich von der Romanvorlage. Die Handlung wurde nicht nur von Italien nach Frankreich verlegt, das Sanatorium der Bilder wegen von einer eher tristen in eine imposante Landschaft versetzt, sondern offenbar erachtete man es für unabdingbar, entscheidende Elemente zu verändern. Das trägt nicht unbedingt zur Glaubwürdigkeit der Handlung bei, ist aber, betrachtet man den Film als eigenständiges Werk für sich, verschmerzbar, wenn man meint, dass Dinge in einem Film zugespitzt gehören, Ecken gerundet und manchmal mit roten, fetten, dreifachen Unterstreichungen gearbeitet werden muss. Wenn man das nicht meint, sollte man dem Buch den Vorzug geben.

Journal Entry 2 by Wortklauber at Rathaus- Bücherschrank in Zülpich, Nordrhein-Westfalen Germany on Saturday, August 11, 2018

Released 5 yrs ago (8/11/2018 UTC) at Rathaus- Bücherschrank in Zülpich, Nordrhein-Westfalen Germany

WILD RELEASE NOTES:

Steht im Bücherschrank und wartet auf weitere Leser!

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