Der Fuchs und Dr. Shimamura
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Doch ich blieb beim Recherchieren. Denn nicht nur Dr. Shimamura (wie auf der Umschlagseite vermerkt) war eine reale Person, auch alle anderen auftauchenden Figuren, denen er während seines Stipendiums in Europa begegnete, waren existent, sodass ich mir nach und nach einen umfangreichen Überblick über die Anfänge der Neurologie verschaffen konnte. Alle äußeren Merkmale wie auch öffentliche Beziehungen scheinen wahrheitsgetreu wiedergegeben worden zu sein - das Ganze dann angereichert durch die vermutlich fiktiven persönlichen Merkmale der Einzelnen und deren Verhältnis zu Dr. Shimamura.
Diese Verflechtung von Realität und Fiktion wirkt mustergültig - als ob die Autorin als Zeitgenossin an den Geschehnissen beteiligt gewesen wäre. Wer über das reine Lesen des Buches hinaus sich ein wenig mit den darin vorkommenden Personen beschäftigt, wird vielleicht bald von der Geschichte der Neurologie und Psychoanalyse gefesselt sein (siehe beispielsweise spiegel.de/einestages/jean-marie-charcot-und-die-hysterieforschung-in-der-pariser-salpetriere-a-951005.html). Mir ist es zumindest so ergangen und so hat das Lesen dieses dünnen Büchleins wesentlich länger gedauert als gedacht ;-) Und mich nicht nur sehr gut unterhalten, sondern auch mein Wissen erweitert.
Dieses Buch ist Teil des Abos Deutscher Buchpreis 2015 und reist zu folgenden Stationen:
1. Seepferdchen17
2. Lilo37fee
3. MaggyGray
4. auweia
5. chawoso
6. karneol
7. heixly
8. Lillianne
und zurück zu mir.
Released 8 yrs ago (10/28/2015 UTC) at Buchring, By Mail/Post/Courier -- Controlled Releases
CONTROLLED RELEASE NOTES:
Edit 16.11.15: Da nun das nächste Buch des Abos schon bei mir angekommen ist, gebe ich es nun auf. Mich hat der Beginn ebenfalls nicht begeistert und so richtig konnte ich mich auch später nicht begeistern. Aber die Geschmäcker sind ja verschieden und nur solche Leser, wie wir beiden sie sind, hat das Buch bestimmt nicht verdient.
Released 8 yrs ago (11/19/2015 UTC) at an einen anderen Bookcrosser in -- Per Post geschickt/ Persönlich weitergegeben --, Sachsen Germany
WILD RELEASE NOTES:
Zunächst mal stellt das Buch für mich eine Abrechnung mit den Anfängen der Psychologie/Psychiatrie um 1900 dar. Viele der bekannten Persönlichkeiten kommen vor, auch Shimamura selbst soll ja wirklich gelebt haben. Diese Darstellung ist mitunter erstaunlich witzig und humorvoll, mir gefällt der „Fuchsgähst“ (wienerisch auszusprechen) oder auch, dass Shimamura sich bei Binet (dem Vater der Intelligenzmessung) dessen Namen immer als „Bidet“ merkt. Überhaupt, das Bidet. Das ist nur eines der Motive, die auf „schmutzige“ oder „saubere“ Sexualität hindeuten. Und damit bin ich eigentlich bei dem, wie ich den Fuchs interpretiere. Die Psychologie des beginnenden 20. Jahrhunderts war in der heutigen Wahrnehmung ja sehr stark geprägt von einer Pathologisierung von Sexualität, Lust, Unkonventionalität bzw. der Auseinandersetzung mit dieser Pathologisierung. Das beste Beispiel dafür ist die „Hysterie“. Gerade die Auseinandersetzung mit dieser Krankheit, die Erklärungsmuster, die Heilmethoden sind nicht nur veraltet und bizzar, sie zeigen auch eine unglaubliche männliche Dominanz über Frauen. Dazu passt das Bild auf dem Buchrücken. Es zeigt Charcot, dozierend über eine hypnotisierte, hysterische Patientin. Was man auf dem Ausschnitt nicht sieht, sind die Reihen mit männlichen Zuschauern, die diesem Anfall zuschauen. Ich finde das gruselig.
Und nun kommt da also der Fuchs, bzw. eigentlich könnte es an vielen Stellen auch eine Füchsin sein. Sie lässt sich nicht bändigen, ist für die Frauen nicht nur negativ, ist von den Männern nicht zu fassen. Shimamura, selbst ein Mann, wird vom Fuchs ebenfalls befallen und ist danach nie mehr der Alte. Kleine Seitenhiebe auf Heilmethoden fehlen nicht. Die Hypnose etwa erweist sich an einer Stelle als völliger Humbug.
Ja, das wäre in Kürze meine Kurzinterpretation. Es gibt viel, was man zu dem eigentlich kleinen Büchlein noch schreiben könnte. Aber mal schauen, was andere dazu meinen!
Obwohl dieses Büchlein nur ca. 150 Seiten hat, habe ich eine Weile gebraucht, um es zu lesen. Die Autorin hat einen wunderschönen leichten Schreibstil, dabei ist er voll gestopft mit herrlichen Wortspielen, Emotionen, Vergleichen und tollen Dialogen. Ein Genuss! Ich kann das Buch nur empfehlen!!
Als ich das Buch sah, dachte ich zuerst, dass mir Maggie Gray ein Kinderbuch zu Alina Bronsky dazugepackt hat, ich musste tatsächlich erstmal auf der Liste nachschauen, ob dieses Büchlein zum Abo dazugehört ;-)
Wurde zur Nummer 1: Ich mache es kurz, ich fand es fazinierend. Vieles konnte ich gut nachvollziehen. Manches werde ich, wenn es meine Zeit zu lässt, im Nachgang noch etwas weiter recherchieren.
Viel Freude beim Lesen und wieder Freilassen.
Lass wieder von Dir hören, liebes Buch!
(Sie sind mit Büchersendungen irgendwie so inkonsequent, manchmal lassen sie sie einfach im Treppenhaus, manchmal müssen sie bei der Post geholt werden...)
Das Buch sieht herrlich schräg aus, Klappentext klingt vielversprechend und es ist so schön dünn. :-D
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23.05.2016:
Oh ja, herrlich schräg :-)
Bei dem Buch stimmt für mich alles! Bis jetzt ist das mein absoluter Favorit aus dem Abo und was ich so gesehen und gelesen habe, kommt auch nichts besseres mehr.
Die äussere Aufmachung, Bilder, das verwendete Material für den Einband, die Gesaltung mit den Kapitelnummerierungen (vertikale Schrift) usw., alles einfach schön und stimmig, und zwar so, dass es mir auffällt, obwohl ich nicht sooo extrem drauf achte normalerweise ;-)
Dann die Geschichte, super. Die Anfangszeit der Neurologie, Psychiatrie und Psychologie bietet sowieso immer tolle Geschichten, sogar rein historisch, und hier ist es ja zusätzlich noch literarisch aufgearbeitet.
Was mich total umhaut an dem Buch ist das wirklich genial aufgezogene Spiel erstens mit dem Faktor Erinnerung und zweitens mit dem Faktor Selbst- und Fremdwahrnehmung. Ich glaube, Frau Wunnicke kriegt das vor allem mit dem ausgesprochen geschickten Einsatzes der Erzählerfigur hin. Dieser schwankt zwischen personaler, an einzelnen Figuren inkl. ihrem Innenleben orientierter Erzählung und neutralem, von aussen beobachtendem Erzähler mit Tendenz zum auktorialen. Als Leserin erwarte ich eigentlich, die "wahren" Informationen zu bekommen, merke aber irgendwann, dass der Erzähler sich die Sicht der Figuren aneignet, und dass diese zwar ihre individuelle Wahrheit abbildet, dabei aber unglaublich stark voneinander abweicht und sehr unzuverlässig werden.
Durch das Buch über die Erinnerung, das Dr. Shimamura zu führen beabsichtigt, ist die Frage nach der Zuverlässigkeit von Erinnerungen und auch nach ihrer Wahrheit als leises aber ständig präsentes Thema der Geschichte da, für mich jedenfalls.
Dr. Shimamura scheint sich selbst als an europäischer Wissenschaft orientierten, sehr rational denkenden Menschen zu verstehen. Die Ereignisse in der Mondnacht, in der sein Assistenz verschwand, verfolgen ihn. Die europäischen Mediziner dagegen nehmen ihn überhaupt nicht ernst, hat man den Eindruck, sondern sehen in ihm eher ein Studienobjekt, da er von der sonst weiblichen Hysterie befallen zu sein scheint. In Paris wird er vorgeführt, in Berlin Objekt der Psychoanalyse.
Gemäss Breuer ist Shimamura dagegen eher eine Art Schamane, der Tiergeister austreibt, indem er sie sich einverleibt. Tatsächlich scheint da ja was dran zu sein, in den Beschreibungen von Shimamura selbst, allerdings meint Breuer ja glaub ich eher, das sei eine Art Wahnvorstellung und er habe ihn durch die Gespräche geheilt, weil er den verdrängten Mord aufgearbeitet hat...
Am Ende taucht der Student aber auf, verheiratet mit dem vom Fuchsgeist geheilten Mädchen. Vielleicht ist er das aber gar nicht, denn es könnte auch sehr gut sein, dass Frau Shimamura das ganze arrangiert hat, um ihren Mann zu beruhigen, so wie sie das von ihm versteckte Spielzeug ständig erneuert.
Also eigentlich alles unklar, aber gerade dadurch genial, ich könnte noch ewig weiterschreiben :-D
Released 7 yrs ago (5/27/2016 UTC) at to next participant, a ring/ray -- Controlled Releases
CONTROLLED RELEASE NOTES:
Wünsche schöne Lesestunden.
... und auch direkt gelesen. Inhaltlich thematisch sprach mich das Buch sehr an, da ich gerade Kunsttherapie studiere und mich in diesem Zusammenhang schon mit dem Beginn der Psychotherapie, mit der Psychoanalyse zur Behandlung von Hysterie, mit dem Fall Anna O. etc. beschäftigt habe. Diese Entwicklung dem archaischen japanischen Volksglauben an einen Fuchsgeist gegenüberzustellen ist ein interessanter Ansatz, jedoch hat mich das Büchlein literarisch nicht überzeugt. Zu schemen- und skizzenhaft kommt mir das alles rüber, zu wenig atmosphärisch, eher abgehackt, zu viel Wissen & zu wenig "Drumherum". Das mag japankulturell passend sein, hat mich selbst aber nicht wirklich zufrieden gestellt.
Gerade aus dem Briefkasten gefischt. Vielen Dank für das kleine, aber sehr feine Buch. Da bin ich aber sehr gepannt auf den Fuchs. Vielen Dank für dieses Abobuch, das nun an seiner letzten Station ist. Es wird sich bald wieder melden.
Edita fügt ein: 19. Juni 2016
Mich hat das Buch auch fasziniert und die lakonische Art, wie die Geschichte das Leben und Reisen des Dr. Shiamura beschreibt konnte ich gut nachvollziehen: Reist er doch in eine völlig andere Kultur. Wie will man das überstehen, wenn man alles so betrachten wollte, wie die Deutschen, die so vernüftig daher kommen? Da ist der Zugang Shimamuras doch ein sehr pragmatischer. Köstlich, wie er in Paris mit seinen Deutschkenntnissen gerade in der physiologischen Psychiatrie landet und deutschsprachige Texte studiert. Diese Sequenz hat sich in einen anderen Faden geschlichen:-) Kurze Schachszenen (oder auch nur Schachspiel) in der Literatur.
Er war ein fleißiger Stipendiat und hat alles notiert, beschrieben und seziert - für sich und seine Kommission, die ihn auf Reisen schickte. Wie das jetzt mit der Hysterie, den Füchsinnen und auch den medizinischen Begriffen im Einzelen auf sich hat, war mir nicht so wichtig. Meine Vor-Leserinnen haben mir mit ihren Beiträgen reichlich Informationen geliefert, so dass ich das Buch mit meinem Laienverständnis trotzdem genießen konnte. Die bechreibung waren für ich auch so bildlich, dass ich mir die Füße der drei Frauen um Shimamura gut vorstellen konnte. Auch sein Morgenmantel, den er aus Paris mitnahm und sich später in Fasern auflöste, war ein Detail, das die Qualität des Buches für mich ausmachte.
Manches Mal kicherte ich mit und über Shimamura, der teilweise doch nicht so sehr alltagstauglich war. Eine köstliche Lektüre, die mich wieder mit dem Deutschen Buchpreis versöhnt. Vielen Dank dafür.
Released 7 yrs ago (6/21/2016 UTC) at an die Anschrift eines BClers gesandt :) in -- Per Post geschickt/ Persönlich weitergegeben --, Berlin Germany
WILD RELEASE NOTES:
Dieses Buch geht nun zurück ... zur Heimatstation.
Herzlichen Dank für dieses Buch aus der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2015. Das Lesen war ein Genuss!
Postkastenleerung: Di. 21.06.2016 | 15.30 Uhr | Detmolder Straße
Vielleicht lese ich es nochmal, wenn ich die ganze Runde hinter mir habe. Doch die richtig schweren Brocken kommen ja noch, eventuell steht mir der Sinn dann nach ganz ganz seichter Kost.
Vielen Dank an Alle in diesem Ring, denn man sieht dem Fuchs die Reise kaum an.
Released 6 yrs ago (6/17/2017 UTC) at Überraschung, By Mail/Post/Courier -- Controlled Releases
CONTROLLED RELEASE NOTES: