Ich bin ja nun mal in den Achtzigern großgeworden, und nichts habe ich damals mehr gehasst als die allgegenwärtigen "ernsten" Kinderbücher. Entweder wollten sie den Zuspätgeboreren die Gräuel des Zweiten Weltkriegs näher bringen (von wegen den Anfängen wehren und so), oder die junge Generation schon mal auf das gefühlt unmittelbar bevorstehende Ende der Welt durch eskalierenden Kalten Krieg (oder alternativ einen Super-GAU oder sonst eine Umweltkatastrophe) vorbereiten. Es waren harte Zeiten für einen eskapistisch veranlagten jungen Leser...

Der langen Rede kurzer Sinn: Im Zielgruppenalter hätte ich dieses Buch mir der Kneifzange nicht angefasst. Mittlerweile bin ich aber wenigstens neugierig genug, um mir doch mal selber ein Bild von diesem dochwohlirgendwie Klassiker bilden zu wollen. Herzlichen Dank also für diese Buchspende vom KaDeMe!

Roland ist gerade mit seinen Eltern und seiner großen und kleinen Schwester auf dem Weg in die Ferien zu den Großeltern in Schewenborn, als in der Ferne eine Atombombe explodiert. Zwar schafft es die Familie noch zum Haus der Großeltern, doch die sind wohl beim Bombeneinschlag ums Leben gekommen, weil sie in der Stadt noch für den bevorstehenden Besuch einkaufen wollten. Von jetzt auf gleich ist nichts mehr, wie es war: es gibt weder Strom noch Radio, die öffentliche Ordnung bricht zusammen, durch die Straße wanken totkranke Flüchtlinge, die bald darauf der Strahlenkrankheit erliegen. Zwar weiß man das ohne Nachrichten nicht so genau, aber es scheint, als sei ganz Mitteleuropa zurück in die Steinzeit gebombt worden. Und so beginnt für Roland und seine Familie der Kampf ums Überleben, gegen den Hunger, die Kälte, die Seuchen und die Plünderer.

Ich muss diesem Buch schon zugute halten, wie spannend es ist: ich habe es in nur zwei oder drei Sitzungen und über weniger als 24 Stunden verteilt ausgelesen. Zufrieden bin ich trotzdem nicht; es gibt mir hier viel zuwenig Hintergrund, alles ist nur Angst, Ekel und Schock. Ich nehme an, das ist gewünscht: schließlich kommt es für Roland auch nicht darauf an, ob es nun Krieg oder Unfall war, der zum gefühlten Weltuntergang geführt hat. Glücklicherweise ist "Die letzten Kinder" als Jugendbuch auch nicht allzu drastisch in den Schilderungen der Katastrophe (obwohl sie für die junge Zielgruppe sicher furchtbar genug ist): ausser ein paar offenen Wunden, Verbrennungen und herausschauenden Knochen geht es nicht besonders graphisch zu, und heutzutage dürfte jeder Teenager durch Horrorfilme schlimmeres gewohnt sein; jüngere Leser dürften sich allerdings sicher auf Albträume einstellen. M.E. ist das Buch auch deutlich auf den Schockeffekt hin ausgerichtet, und es amüsiert mich, mir vorzustellen, wie viele arme Eltern damals auf Friedensdemos gezwungen worden sind, nur weil ihre Kinder dieses Buch in die Hände bekommen haben.

Ich will nicht behaupten, dass heutige Kinder es leichter haben, denn anstatt der Panik vor dem Dritten Weltkrieg und dem Waldsterben droht heute der Kollaps des Euro, Arbeitslosigkeit und Verelendung für alle, und dazu noch der Klimawandel, am besten komplett mit umkippendem Golfstrom und dann noch einem Polsprung. Aber Kalter-Kriegs-Dystopien wie diese haben in meiner Welt wirklich keinen Platz, da grusele ich mir doch lieber den Weltuntergang durch Zombieapokalypse herbei, als mir ständig solche Schwarzmalerei zu geben -- dieses Buch bietet absolut keine konstruktive Lösung dafür, wie man als Kind des Jahres 1983 oder auch 2013 politischem Wahnsinn entgegentreten soll, sondern führt höchstens zu schlaflosen Nächten.

Auf einer recht stattlichen Mauer, an Haus Nr. 7(?).
Im Rahmen von curlycats ABC-Challenge als Buchstabe Q freigelassen.
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