Sommer 2002. Die Erzählerin - Frau Fesch heißt sie, und sie sagt kein einziges Mal »ich« - kommt als Touristin, für ein Wochenende und eine Verabredung nur, und sie quartiert sich ein im »Malibu« nahe der Seepromenade von Oostende. Schnell hat sich ein kleiner Kreis gebildet, und man ist gewillt, die Zeit zu nutzen: de Rouckl, dauergekränkter Künstlertyp; Willaert, Antwerpener Parfümerist und undurchschaubarer Führer durch die belgische Stadt; und Roy, der unglücklich Verliebte, der mit seiner Großmutter da ist. Im Zentrum: die von ihrem Lover begleitete Italienerin Sonia, die »Schneeantilope«. Bald sind wir mittendrin in Kabale und Liebe ...

Ich habe schon einmal die ersten 50 Seiten angelesen - Frau Kronauers Stil ist aber nicht ohne. Dafür braucht man etwas Zeit und Hirnschmalz. Beides hat Aprille (auch wenn sie das in punkto Zeit wahrscheinlich energisch dementiert), die überdies in Kürze nach Oostende fährt und dringend passende Urlaubslektüre braucht. Daher macht sich das Verlangen nun zunächst leihweise nach Bochum und von dort nach Oostende auf.

Frau Blups hat mir Frau Kronauer geschickt. Herzlichen Dank!
Hier liegt ein reclam-Bändchen mit Geschichten der Autorin "Die Tricks der Diva" - irgendwas mit Diva wusste ich noch... Wenn ich mir schon Buchtitel nicht merken mehr kann, kommen mir erhebliche Zweifel am Zustand meiner Gehirnwindungen. Sehr berechtigte Zweifel!
Frau Kronauer wird mich trotzdem nach Ostende begleiten. Leider nicht in der Ausgabe mit dem Ensor-Bild vorne drauf. Wegen Ensor geht's nach Ostende und wenn ich mit dem Inhalt und Stil von Frau Kronauer nicht fertig werde, hätte ich mir immer das Maskenbild auf dem Cover anschauen können. Denn James und ich - wir verstehen uns...
Beizeiten reist Frau Kronauer in Begleitung von Herrn Gramer wieder Richtung Landeshauptstadt.

Zunächst: Das Buch ist zu lang!
Die Geschichte, die die Kronauer erzählt, strotzt vor skurriler Einfälle. Das gilt für die Personenzeichnung, die Handlung, die Beschreibungen, die Benennungen von Belebtem und Unbelebtem, - kurz man ist als Leser auf keiner Seite vor Kronauers Sarkasmen, Spitzen, Ironie und Humor sicher.
Das ist amüsant, das lässt eine Leserin wie mich jede Menge Klebeteile an die Seiten heften (denn anstreichen darf man in ausgeliehenen Büchern ja nicht), weil die Kronauer so irritierend treffend formulieren kann. Vor allem für ihre Personen denkt sie sich immer neue vergleichende Namen aus, die mich immer wieder zum Schmunzeln brachten.
Die eigentliche Geschichte ist schnell zusammengefasst: Fünf Ostende-Touristen werden bereits im Zug aufeinander aufmerksam. Nach einigem Hin und Her landen sie im selben Hotel, in dem sich ein verhinderter Künstler, der an der Welt leidet, vom "Mädchen für alles" aushalten lässt. Der ist wiederum mit einem Parfümhändler befreundet, der sich als Reinkarnation von James Ensor inszeniert. Als er an der Hotelrezeption die Neuangekommenen erspäht, wittert er ein Vergnügen besonderer Art und bietet sich der Gruppe als Führer an. Frau Fesch beobachtet alle und jeden - auch sich selbst. Mit feiner Antenne erspürt sie alle erotischen und nicht-erotischen Spannungen zwischen den Personen, ohne selbst gegen das Irrationale des Gefühlslebens gefeit zu sein.

Die Kronauer führt in ihrem Roman durch Ostende (wer schon mal da war, wird es mehr genießen können) und (überbrückbare) zwischenmenschliche Abgründe. Sie spielt mit Formen - sie serviert dem Leser zwischendurch sogar ein verrücktes Libretto - , aber irgendwann ermüdet auch der geneigteste Leser.

"Verlangen nach Musik und Gebirge" ist kein Buch zum Nebenbei lesen. Man muss das Verlangen nach Aufmerksamkeit fordernder Literaturbetrachtung haben. Dieses Bedürfnis teilen wir seit Jahren in unserem kleinen Lesezirkel. Dort war es das September-Buch. Wir fanden es gut, gegen Ende aber etwas ermüdend. So ist es ja auch im echten Leben: Manche Besichtigung dauert zu lange, die Aufmerksamkeit nimmt ab und die Füße tun einem weh. Aber Vorsicht! Wer am Ende nur noch oberflächlich liest, verpasst Frau Feschs Jagd nach ihrem Objekt der Begierde!

Das Buch kann nun zurückkehren.
Soll der Gramer mitreisen? In Gesellschaft reist es sich zuweilen angenehmer.

Frau Kronauer ist wieder bei mir und wartet darauf, dass ich ihrem nicht ganz einfachen Stil Zeit und Aufmerksamkeit widmen kann.

Dieses Buch ist Teil der Überlebensbibliothek, die zu lesen ich mir eigentlich als Life Time Challenge vorgenommen habe. Es firmiert dort in der Rubrik "Wer Belgien unterschätzt, lese ...". Und da ich mal drei Jahre in den Niederlanden gelebt habe und daher in der Tat dazu neige, die Belgier mit ihren vielen sprachlich abgegrenzten Regierungen, Behörden und Eigenarten zu unterschätzen, wäre dies eigentlich das richtige Buch für mich. Aber nachdem ich vor 5 Jahren schonmal nach 50 Seiten aufgegeben habe, streiche ich nun nach etwas über 100 Seiten erneut die Segel. Und zwar endgültig. Das erste Buch aus der Überlebensbibliothek, das ich trotz aller guten Vorsätze nicht zu Ende gelesen habe. Aber man hat nunmal nur ein Leben - will man das mit schlechten Büchern verbringen?

Frau Kronauers Stil ist eigenwillig, weitschweifig und von zum Teil wirklich originellen Wortkreationen geprägt. Aber die Geschichte selber ist dünn bis gar nicht vorhanden. Ich will gar nicht wissen, wie sie ausgeht, weil sie mich zu keiner Zeit gepackt hat. Dieses Buch ist einfach ... langweilig. Nicht lesenswert. Überflüssig.

Im Bookcrossing-Regal (wo denn sonst?!). ; )

Das Buch sollte freigelassen werden.
Aber ich möchte, dass sich der Schabrackenmolch und die anderen in unserem Regal häuslich niederlassen.
:-)