Termitenhügel in der Savanne
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Ich fand das Buch ziemlich gut. Es hat Tempo, Spannung, Witz, Sex, beißende Ironie, Hintergrundwissen, und es ist prima geschrieben.
Mehrere Personen erzählen aus ihrer Sicht eine kritische Phase in der Geschichte Nigerias -oh, ups, das Land heißt im Buch Kangan und die Orte und Namen sind fiktiv, aber es ist mehr als eindeutig, dass es um die diversen Militärputsche in diesem reichen westafrikanischen Land in den 1970-er und 80-er Jahre geht.
Die Hauptpersonen: Chris Oriko, Informationsminister und Kamerad von Seiner Exzellenz, dem gegenwärtig regierenden General, aus Schultagen; er hat das buckeln vor Seiner Exzellenz satt und durchschaut die Nichtsnutzigkeit des gesamten Kabinetts. Ikem Osodi, Journalist und Autor einer überaus beliebten, überaus kritischen Zeitungskolumne, nimmt kein Blatt vor den Mund, nimmt wenig Rücksicht auf seine persönliche Sicherheit und nimmt gerne mit, was sich an Mädchen anbietet. Beatrice Okoh, stellvertretende Staatssekretärin im Finanzministerium und Freundin von Chris, spielt tapfer ihre Rolle als Unwissende und erhält mit Wärme und gesundem Menschenverstand den Glauben ans Gute aufrecht. Elewa, Freundin von Ikem, trägt sein Kind aus und kommt als Mädchen aus kleinen Verhältnissen mit den Personen der großen Politik erstaunlich gut zurecht.
Chris und Ikem verbindet eine freundschaftliche Dauerfeindschaft, beide spielen ihre Rolle in der Innenpolitik und in der Nachrichtenlandschaft des Landes. Als die Intrigen im Kabinett sich zuspitzen, geht Ikem auf Angriff und hält ein bemerkenswertes Seminar an der Universität über "Leopard und Schildkröte" - Metaphern für den Kampf zwischen ungleichen Parteien (wie das ganze Buch überhaupt nur so strotzt vor Gleichnissen und sehr bildhaften Sprichworten, deutliches Erbe der reichen erzählerischen Tradition Westafrikas, die ohne Niederschriften auskam). Das wird ihm zum Verhängnis - frei nach seinem selbst geäußerten Motto "Schriftsteller verschreiben keine Rezepte, sie bereiten ihren Mitmenschen Kopfschmerzen!".
Sein Kumpel Chris riecht den Braten und geht rechtzeitig in den Untergrund. Beatrice und Elewa, die beiden nun sich selbst überlassenen Frauen, lernen mit der Situation umzugehen, finden unerwartet Mitstreiter unter Taxifahrern und Geheimpolizisten, und es werden schließlich Pläne geschmiedet. Chris begibt sich auf die Flucht in einem Buschtaxi aus der Hauptstadt hinaus, auf der Großen Straße in den trockenen, verlassenen, etwas rebellischen Norden, bis ihn dort an einer Straßensperre die Nachricht vom Sturz Seiner Exzellenz ereilt, und er sich in einer Situation wiederfindet, in der eine schnelle Entscheidung Leben oder Tod bedeutet...
Wie gesagt, echt spannend und mit viel Witz geschrieben. Nicht ganz unerwartet lebt der Autor nicht mehr in Nigeria, sondern in New York - unter den diversen Militärdiktatoren wäre er bei einem Buch dieses Kalibers nicht lange am Leben geblieben. Manchmal holpert das Buch ein wenig, wie auf einer schlechten Piste, wo man mühsam um Schlaglöcher herummanövriert und jeden Moment Gas geben will, um dem Horizont am Ende der kerzengeraden Straße näherzukommen, nur um wenige Meter weiter vom nächsten Schlagloch ausgebremst zu werden. Der Autor hat in den rasanten Fluss der Geschichte ein paar Weisheiten und philosphische Betrachtungen zu Kommunismus, Kapitalismus und Kolonialismus eingebaut, die sicher im intellektuellen Diskurs interessant sind, aber manchmal eine leicht verwirrende Abschweifung darstellen. Der Film auf Seite 105 ist übrigens "Emitai" (von Ousmane Sembène), über die Diola im Süden Senegals.
Ein ganz klein wenig zweifle ich an der Qualität der Übersetzung. Drei Fälle fielen mir auf: An einer Stelle wird von den "Strukturen" gesprochen, die -neben den Menschen- ein Land ausmachen, und gemeint sind Gebäude, Bauwerke. Das englische "structures" bezieht sich in der Tat (auch) auf Bauwerke, aber im Deutschen von Strukturen zu reden, scheint eher ungewöhnlich in diesem Zusammenhang. Genaus ungewöhnlich finde ich, wenn eine Sitzung des Militärrates als "außergewöhnlich" bezeichnet wird (S. 183), in diesem Fall dürfte eher eine "außerordentliche" gemeint sein. Und dass es Nigeria Kakteen gibt (S. 233), dürfte dem Autor neu sein, der Übersetzerin war es vielleicht egal - was um Hütten im Sahel herum gepflanzt wird und manchmal als eine Art Hecke mit stachelbewehrten Blättern dient, sind Agarven. Aber das ist alles in allem nebensächliche Krittelei, es ist trotzdem ein prima Politthriller.
Released 11 yrs ago (7/6/2012 UTC) at Desasta (Ehemalige OBCZ) in Kassel, Hessen Germany
WILD RELEASE NOTES:
dieses Buch wurde nicht verloren, sondern absichtlich liegengelassen, um gefunden zu werden. Du kannst (musst aber nicht!) es lesen und dann wieder frei lassen, damit es seine Reise um die Welt fortsetzen kann.
Die Seite mit dem deutschsprachigen Forum www.bookcrossing.com/forum/14 ist bei allen Fragen sehr hilfreich.